Montag, 7. Januar 2013

Hallo liebe Schachfreunde,
zunächst wünsche ich euch ein frohes, erfolgreiches Jahr 2013. Seit meinem letzten Post ist leider einige Zeit vergangen, weshalb ich diesmal etwas mehr schreiben werde. Zunächst einmal kurz zu wichtigen Schachereignissen der vergangenen Monate: Ein gewisser V. Anand hat im letzten Jahr erfolgreich seinen Weltmeistertitel verteidigt. Frauen-Weltmeisterin wurde Anna Ushenina. Bemerkenswert ist außerdem, dass irgendein Norweger Kasparows Elo-Rekord übertroffen hat, aufgrund der schleichenden Elo-Inflation jedoch noch über 40 Punkte zulegen müsste, um den Tiger aus Baku wirklich zu übertreffen.

Nun zu meinem Turnierjahr: Beim RLP-Open lief es wenig spektakulär...naja, immerhin schaffte ich es, eine Stellung mit einem Vorteil von +10,88 ins Remis zu verderben. Ansonsten schlug ich aber die schwächeren Spieler und verlor gegen die stärkeren, gegen GM A.Vovk leider etwas unnötig nach gutem Spiel.

Im Sommer folgte dann das Karl-Mala-Gedächtnisturnier, wo wiederum nichts Spektuläres passierte. Ich verlor gegen GM Kunin und gab zwei Remisen ab. Endergebnis 5/7 und solides Ratingplus, nicht der große Wurf aber ganz passabel. Ähnlich friedlich verlief das Forchheim-Open: In diesem 5-rundigen Turnier spielte ich tatäschlich 4x Remis und gewann nur eine Grünfeldpartie, bei der ich allerdings bewusst eine sehr scharfe und riskante Variante wählte. 2 Remise gab ich gegen schwächere Gegner ab, eine dieser Partien hielt ich sogar mit Minusfigur remis. Die anderen beiden Remise gab ich gegen FMs ab. In Runde 2 mit Schwarz gegen den Vorjahressieger FM Golda, eine von beiden Seiten gut gespielte Partie, und ein Remis gegen den Youngster FM Mons. Dort stand ich nach der Eröffnung schon ziemlich mau, konnte ihn allerdings ordentlich bepfuschen und letztlich in ein haltbares Endspiel einlenken, Glück gehabt! Am Ende steht unter dem Strich ein minimales Ratingplus.

Im Herbst stand dann das Nibelungen Open in Worms an. Dort passierte einiges Unerwartetes: In Runde 1 schlug ich recht mühelos einen niedriger gerateten Gegner, in Runde 2 wurde es aber eine Zitterpartie gegen einen Gegner mit einer Elo von 2065. Mir wurde mal wieder klar, dass ich mit Schwarz sehr selten gewinne, sogar, wenn ich scharfe Eröffnungen wie den Drachen spiele. Schnell entstand eine strategische Stellung mit leicht besseren Aussichten für mich, aber =/+ ist halt etwas anderes als -+. Und so plätscherte die Partie so vor sich hin, ein Gewinn wurde zunehmends unwahrscheinlicher. Bis wir die Diagrammstellung erreichten:


  Hier schoss mir plötzlich eine Taktik durch den Kopf, die mir so gut gefiel, dass ich ganz in ihren Bann gezogen wurde, die Objektivität ging verloren, ich rechnete schlampig und spielte 1...Lc4+?, wonach Schwarz die Stellung womoglich halten kann, mehr aber auch nicht. 2.Lxc4 e4+ 3.Ke3! leider hab ich das zu spät gesehen. Die Zeitkontrolle war nun vorüber und ich konnte tief abtauchen, nach einem Remisweg nach 3...Kxc4 4.Kxe4 zu suchen. Ich rechnete sehr präzise und fand nach 20min. überlegen den einzigen richtigen Weg 4...Kxc3!, was zu einem Damenendspiel führt, in dem Weiß nur noch den h-Bauern und 10 Min. mehr auf der Uhr hat. Mein Remisgebot lehnte er selbstgefällig ab. Es ging lange Zeit hin und her, die Technik, eine solche Stellung zu verteidigen kannte ich zum Glück. Ich hatte später noch 2 min., er 12...und was war das Ende vom Lied? Richtig, ER überschritt die Zeit. Dass ich online viel Bullet spiele zahlt sich also doch aus :). An dieser Stelle möchte ich www.chesscube.com als Anregung an alle anführen, die kostenlos online spielen möchten.

In Runde 3 kam ich gegen einen Nachwuchsspieler leider nicht über ein Remis hinaus, in Runde 4 schlug ich dann aber einen Theoriehai mit Schwarz in ca. 20 Zügen mit einer ihm unbekannten Gambitvariante... sodass ich vor der letzten Runde ganz oben in der Tabelle stand, wieso ich dann runtergelost weiß ich auch heute noch nicht, es passt nicht wirklich zu dem Losverfahren, das bis dahin angewendet wurde. Egal, ich wurde mit Weiß gegen den starken, titellosen S.Mladenov gelost. Ausgerechnet in dieser wichtigen Partie nahm er Rache für die Niederlage, die ich ihm Jahre zuvor beim Godesburg Open erteilte. Obwohl er kränkelte gab er Einblicke in sein enormes Schachverständnis und schlug mich abseits theorethischer Hauptvarianten nach allen Regeln der Kunst. Was er mir bei der anschließenden Analyse alles präsentierte, zeigte mir erneut, dass er nicht die Stärke von 2400 hat. Ich kann mich nicht erinnern, mal so chancenlos verloren zu haben. An guten Tagen kann Svetlin locker mit 2600ern mithalten, leider spielt er sehr unkonstant und verliert manchmal sogar gegen 2000er. Somit wurde ich also recht weit nach unten durchgereicht. Ein enttäuschendes Ende eines bis dahin guten Turnieres.

Und schon sind wir im Jahr 2013: Schachfestival Basel!
Erstmal zu den Rahmenbedingungen: Hotels sind in der Schweiz schweineteuer, Doppelzimmer in einer Jugendherberge kosten 145 Euro pro Nacht,...ähm ja, ohne Kommentar! Somit übernachteten im deutschen Grenzort Lörrach. Das Hotel war  eine Bruchbude, nicht mal der Fernseher klappte, wie er sollte. Dass es kein Etagenklo gab, war gemessen an den sonstigen Umständenm, erstaunlich!

Vom Hotel zum Spielort waren es 20min. Fahrt. Ich war zu vor noch nie in der Schweiz, doch musste ich schnell feststellen, dass der Verkehr in der Schweiz anders ist, als der deutsche. OK, um die Vignette kamen wir herum, nicht aber um die Trams, die in Scharen durch die Cities brausen. Als Erkenntnis habe ich mitgenommen: Die Tram hat Vorfahrt! Vor allem! Für uns Deutsche war es jedenfalls recht befremdlich, dass auf und neben der Straße überall Gleise waren, das Organisationssystem des Verkehrs erschließt sich mir auch nicht völlig. Ein weiteres großes Problem war die Parkplatzsuche, auch diesbezüglich waren die Preise happig und wenig touristenfreundlich. Es gibt de facto keine kostenfreien Parkplätze! Auch mit der Sprache tat ich mich schwer, es kam mir vor, als sei ich mit einem regionalen Dialekt konfrontiert, der mich nicht geläufig ist. Auch der französische Sprachanteil war nicht zu überhören, und mein Französisch ist nicht gerade das beste...

OK, nun zum Turnier: Ich kannte so gut wie niemanden dort persönlich, so was ich doch froh, dass Svetlin und seine Freundin mitspielten. Vorweg, Svetlin zeigte wiederum Klasse und schlug GM Bartel, remisierte gegen GM Turov und verlor unglücklich gegen GM Melkumyan.  Am Ende siegte wie auch im Vorjahr GM Grachev, Zweiter wurde GM Vajda, 3. GM van Kampen. Überraschend ist das überragende Abschneiden der australischen WIM Guo, die ausschließlich Gegner mit einem Rating von 2300 oder mehr hatte, und bis zur letzten Runde die Bilanz von +1 =5 -0 aufwies, in der letzten Runde aber verlor. Dennoch, ein klasse Resultat für eine Spielerin mit Elo 2000. Der Verdacht liegt nahe, dass sie etwas in den Analysen ihres Freundes Hrant Melkumyan gestöbert hat. Anwärter auf die Gurke des Turniers ist Maxim Turov, den in aussichtsreicher Stellung gegen Robin van Kampen die Kombinationslust packte, was ihm zu einem Turmopfer bewegte,...er übersah jedoch einen Verteidigungszug und sah das Material nie wieder. Kurz darauf musste er aufgeben. Anwärter auf den Schönheitspreis sind die Partien Gavrilov-Istratescu, in der der Franzose mit ...Se3!! brillierte, sowie Maisuradze-Filipovic, in der die junge Französin den Veteranen mit Lxh7! bezwang.

Gavrilov-Istratescu:



Maisuradze-Filipovic:





Turov-van Kampen: (Stellung vor 33.Txd5??)









Ich durfte gleich in Runde 1 gegen den sympathischen GM Pelletier antreten, Elo 2604! Die Theorie ging mir überraschend leicht von der Hand, hatte ich mir die Variante doch schon länger nicht mehr angesehen. Er knöpfte mir dann aber recht schnell einen Bauern ab, und es entstand ein schwieriges Turmendspiel, welches wahrscheinlich nicht zu halten ist. Er demonstrierte großmeisterliche Technik und zwang mich im 70. Zug zur Aufgabe. In Runde 2 lief es nicht besser, ich verlor wiederum und war auch recht chancenlos gegen einen 20xxer. Wie das sein kann, keine Ahnung, ich will niemandem etwas unterstellen. In Runde 3 dann ein gefälliger Kurz-KO in 15 Zügen und weniger als 45 min.

Winterberg-Prill, G.
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.g3 La6 5.Dc2 c5 6.d5 d6? 7.dxe6 fxe6 8.Lh3 +/- Lc8 9.Sc3 Ld7 10.Sg5 Sc6 11.Lxe6 Sd4?? 12.Lf7+ Ke7 13. De4+!

13... Le6 14.Sd5+ Sxd5 15.cxd5 1-0


In Runde 4 wurde ich zum ersten Mal in meiner Schachlaufbahn im Sweschnikow geschlagen. Ich spielte gegen Werner Müller, derer gibt es leider 8, und ich hatte keine Ahnung, gegen welchen ich mich vorbereiten sollte, so entschied ich mich spontan am Brett für Sweschnikow, hatte aber schon vieles vergessen. Die Wahl war außerdem unglücklich, da mein Gegner sich ausgerechnet darauf vorbereitete. Er gestand mir nach der Partie geraten zu haben, was ich wohl spielen werde. Gute Wahl wie sich herausstellte, aber immerhin scheint mein vielfältiges Repertoire die Vorbereitung meiner Gegner zu erschweren. Leider weiß ich immer noch nicht, welcher Werner Müller mein Gegner war. Auf seinem Spielerkärtchen stand Natinoalität Schweiz und Elo 2100, was es aber laut FIDE nicht gibt. Es gibt entweder einen Deutschen mit 2100 oder einen Schweizer mit 2033. Jedenfalls hat er sich gut vorbereitet, stark gespielt und verdient gewonnen!

In Runde 5 traf ich auf eine hypermoderne Interpretation des Budapester Gambits. Ich ging auf Figurenjagd, reussierte und gewann schnell. In Runde 6 ergriff ich mit Schwarz schnell das Ruder, spielte sehr gut, bis ich mal wieder eine Schnapsidee hatte. Dennoch konnte ich gewinnen. IN der letzten Runde überspielte ich meinen Gegner doch ließ in gewonnener Stellung in Zeitnot im 39/40. meinen Gegner vom Haken und ließ ihn ins Remis entgleiten. Sehr ärgerlich sowas! Am Ende steht ein Ratingminus, obwohl ich mit der Spielweise an  für sich recht zufrieden bin. Naja, das nächste Turnier wird kommen, so hoffentlich auch der Erfolg.
Bis bald