Montag, 21. Mai 2012

Wunsiedel Schachfestival

Hallo liebe Schachfreunde,
während Anand und Gelfand sich derzeit in Moskau um die WM-Krone streiten (derzeit steht es 4:4), spielte ich das Wunsiedel Schachfestival als Beginn des anstehenden Turniermarathons. Freitag geht es nämlich schon wieder ab nach Haßloch, wenig später zum RLP-Open nach Altenkirchen.

Es lief recht durchwachsen für mich. An für sich bin ich zufrieden, doch übersah ich in 3 Partien einzügige Drohungen, bzw. Gewinnideen... wenn's einfach wird, wanke ich irgendwie immer. Sieger nach 7 Runden wurde der Bulgare GM Teterev vor dem Setzlistenersten GM Howell, der trotz ständiger Zeitknappheit sehr gutes und aktives Schach spielte. Dritter wurde der starke GM Miezis, welcher einen aktiven und pointierten Stil hegt und sich auch vor Materialopfern nicht scheut.


Ich holte lediglich 3,5 Punkte, wobei ich gegen die schwächeren Spieler für feurig scharfe Stellungen sorgte, gegen die Starken aber schlussendlich immer verlor, da ich es schlichtweg nicht über mich bringe, Remisstellungen zu remisieren, bzw. Gewinnstellungen zu gewinnen.

Präsentieren möchte ich die brisanteste Partie meiner bisherigen Laufbahn, in der es auf und ab ging. Abschließend gab es zur Freude aller Kiebitze eine Zeitnotschlacht vom Feinsten, die es in dieser Form wohl kein zweites Mal gibt.

IM Richter- Winterberg
1.d4 d5 2.c4 c6 3.cxd5 cxd5 4.Sf3 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Lf4 Lf5 7.e3 e6 8.Lb5 IM Richter spielt diese blutleere Eröffnung häufiger, wie ich bei der kurzen Vorbereitung feststellte. Sie hat einen Ruf als Remisvariante und in der Tat gewinnt Weiß auf GM-Niveau sehr selten. Dennoch habe ich, wenn ich mit Schwarz spiele immer den Eindruck, dass Weiß leichten Vorteil hat, während Schwarz eine für meinen Geschmack unangenehmere Stellung spielen muss. 8...Db6 9.0-0 Le7 10.De2 Tc8 11.Sa4 Da5 12.Tfc1 0-0 13.Sc5 a6! stark gespielt. Db6 konnte wegen 14.Lxc6 bxc6 15.Se5 +/= kaum beeindrucken. 14.Lxc6 Txc6 15.Se5 Tcc8 16.g4?! für meinen Geschmack etwas unpassend. Eine ruhige Eröffnung spielen und plötzlich solche Experimente zu starten finde ich nicht sehr passend. Risikoloses Spiel erhielte Weiß nach dem simplen Sxb7, was ihm eventuell Minimalvorteil einbrächte. 16...Lxc5 17.dxc5 Lg6 18.c6! natürlich ist das der richtige Weg. Nun hat Schwarz ein Problem: Wie kann er sich dieses Bauerns entledigen? Interessanterweise verliert 18...bxc6? nämlich einfach die Qualität und 18...b5?! wirkt auch recht gefährlich. Der Partiezug ist daher sehr stark: 18...Db4! 19.Tc3 bxc6 Jetzt ist der Bauer verhaftet und Schwarz steht angenehm, während Weiß mit 16.g4?! einige Schwächen erzeugt hat. 20.Sxc6 Db7 21.Tac1 Kh8! Wiederum sehr stark gespielt. Dieser Zug musste bereits vor einigen Zügen vorausberechnet werden, da 21...Ta8 ein Zug ist, den man nur mit äußerstem Widerwillen ausführen würde. 22.f3 Tfe8 Was kann man sagen? Die weißen Figuren entfalten eine beträchtliche Aktivität, allerdings sind die schwarzen Figuren auch harmonisch postiert, Schwarz steht solide und Weiß hat sich am Königsflügel bereits etwas gelockert. Alles in allem dürfte Weiß dennoch leichten Vorteil haben. 23.Dd2 Sd7 24.Sa5 Da8 25.Lc7 e5 26.Tc6 d4!


Wieder ein starker Zug. Bei uns beiden wurde die Bedenkzeit bereits recht knapp und da ist dieser Zug besonders stark. Sollte sich Weiß nun zu 27.exd4 erkühnen, folgt e4! wonach die schwarzen Figuren aufleben und die weißen Schwächen am Königsflügel, sowie das Kräftevakuum im Zentrum und am Königsflügel ins Gewicht fallen. Der Textzug, der sehr schnell ausgeführt wurde ist daher stark, birgt aber auch seine Schattenseiten. 27.e4! Die folgerichtige Entscheidung, allerdings wird der Bauer d4 auf lange Sicht hin ein ewiges Leiden des Weißen werden und der Rappe wird sich wie ein Krake auf f4 breit machen. Kurzum: Momentan sollte Weiß das Gleichgewicht halten können, aber sämtliche Endspiele könnten den Nachziehenden bevorzugen. 27...f6 28.Dd3 Da7?! Aber das ist falsch. Besser war das solide Sb8 und sehen was sich ergibt. 29.b4 dies sichert Weiß einigen Vorteil. 29...Ta8?! auch das ist schlecht, allerdings beginnt langsam auch mein Gegner zu straucheln. Zeitnot eben! 30.Kg2?! er macht einfach einen neutralen Zug, viel besser war 30.a4, was nicht rosig für Schwarz aussieht. 30...Sf8 31.Dc4 Te7 32.Lb6 Db8 33.Lb6 Da7 keine Experimente, allerdings hätte Schwarz nach De8!? vielleicht sogar mit Vorteil rechnen können
34.Ld6 spielt auf Sieg. 34...Lf7? Ein dicker Bock 35.Dc5? Erwidert das Geschenk. Dxa6 +/- lag auf der Hand, entging uns aber in der Hitze des Gefechts. 35...Se6 36.Dxa7 Texa7 37.Tc8+ Lg8 hielt ich für erzwungen, doch der Silikonkopf beweist, dass auch 37...Txc8 spielbar war. Die Pointe besteht in 38.Txc8+ Lg8 39.Sc6?? d3!-+. Aber wer hätte mit wenigen Sekunden nicht das scheinbar für Weiß gewinnende Sc6 gezogen? Hätte ich so den Sieg erringen können?! 38.Kf1 h6?! Natürlich kein Fehler, aber Txc8 39.Txc8 Td7 hätte Vorteil versprochen. 39.a4 Kh7 40.Txa8 Txa8 Geschafft! :-) 41. Sc6 Tc8 mit Remisgebot 42.Ke1 abgelehnt! Sf4 überraschenderweise ist dies ungenau. Ausgerechnet das merkwürdig anmutende 42...Sg5!? 43.b5 d3! hätte Schwarz beträchtlichen Vorteil eingeräumt. Aber wer spielt Sg5, wenn er nach f4 kann? 43.Kd2 Lb3 44.a5? er überzieht es. Sxd4 Txc1 Kxc1 Lxa4 wäre natürlich totremis, nun aber sollte Schwarz gewinnen.




 44...g5?? mal wieder ein Blackout in einfacher Stellung. 43...Lb3 war mit der Idee La4 verbunden, aber ich ziehe es nicht, da mir plötzlich 44.Sxd4 auffiel. Es ist schier unglaublich, dass ich darauf die Riposte Td8 übersah, wonach Schwarz sofort gewinnt. Auch die Alternativen sind schlecht für Weiß, da Schwarz auf b5 blockiert und die aktiven Figuren den Tag entscheiden sollten. 44...g5 hatte zum Einen die Idee den Sf4 zu decken, was Sxd4 verbietet und zum anderen f4 zu unterbinden, was ich nach Ideen wie 44...Sd3/Se2 45.KxS La4 fürchtete. 44...g5 erlaubt allerdings 45.b5 wonach Schwarz objektiv verloren sein sollte.
45...axb5 46.a6 Ta8 47.a7 Sg2 48.Lb8 das Blatt hat sich völlig gewandelt und Weiß hat alle Trümpfe in der Hand. Allerdings begann die Zeit nun bereits wieder auf ein Minimum zusammenzuschrumpfen, was einen spannenden Verlauf garantierte. 48...Se3 49.Sb4 Sc4+ 50.Ke2 Se3 51.Tc7+ Kg8 52.Tb7 Lc4+ 53.Kd2 Sf1+ 54.Ke1 d3 auch ich spiele meinen Trumpf aus und beschäftige den Anziehenden somit noch ein Weilchen. 55.Td7 d2+ 56. Kf2 Lb3 und hier endet meine Notation, der mitschreibende Schiri konnte den raschen Geschehnissen am Brett nicht folgen, somit bleibt der Rest schleierhaft. Aus dem Gedächtnis konnte ich noch 57.Kxf1 d1=D+ 58.Txd1 Lxd1 59.Kf2 La4 rekonstruieren. In der Folge opferte ich meinen Turm für Läufer und Bauer, während der Springer meinen Königsflügel rasierte und mein Läufer bis auf den h-Bauern alles wegboxte. Beide hatten unter 10 Sekunden und es wurde extrem hektisch. Unterwegs ging dann noch mein Läufer bei einer Springergabel über Bord. Das nächste was ich weiß ist, dass ich bei ihm 0,00 Sekunden sah und wir zeigleich reklamierten. Da wir aber mit elektronischen Uhren spielten, war zweifelsfrei bewiesen, dass ich die Zeit zuerst überschritt. Es hat also an einer einzigen Sekunde gelegen. Unglaublich!! Auch in Runde 7 verlor ich unglücklich gegen den starken Nachwuchsspieler J.-C. Schröder, nachdem auch er eine Remisstellung durch impulsives Vorgehen überzog, ich aber statt der Gewinnfortsetzung eine Verlustvariante wählte....Wenn ich doch endlich mal die Stellungen die da sind auch eintüten würde...
Naja, AWG alles wird gut, vielleicht schon diese Woche in Haßloch :)