Donnerstag, 7. Juni 2018

Von Kämpen und Friedefürsten


Hallo Schachfreunde,

der letzte Beitrag liegt eine ganze Weile zurück. Dies hat ein gerüttelt Maß an Gründen, mit denen ich euch an dieser Stelle nicht zu langweilen gedenke. Seit meinem letzten Lebenszeichen hat sich so manches in der Schachwelt getan. Caruana gewann das Kandidatenturnier, was ihm das Recht einräumt, im Herbst gegen Carlsen um die WM-Krone zu kämpfen. Alle weiteren Meldungen erscheinen null und nichtig verglichen mit dieser.

Bei mir läuft es seit einiger Zeit ziemlich unrund. Neben dilettantischen Darbietungen fehlt zudem noch das nötige Quäntchen Glück. Ich war nie jemand, der Niederlagen auf Pech abgewälzt hat, jüngste Ereignisse lassen sich allerdings kaum in anderen Worten widergeben.

Im Folgenden werde ich zwei Partien komplett vorstellen und abschließend ein Potpourri an interessanten Stellungen präsentieren, in welchen ich allesamt den Kürzeren zog.


Winterberg - Michels,F. (Nickenich, 2018)

Diese Partie wurde im Rahmen des RLP-Opens in der ersten Runde gespielt. Erfahrungsgemäß laufen Turniere bei mir schlecht, wenn ich in der ersten Runde problemlos gewinne. Zitterpartien in der ersten Runde haben hingegen oft einen guten Turnierverlauf zur Folge. Daher standen die Zeichen nach dieser Partie nicht wirklich gut, zumindest, wenn man den nötigen Aberglauben nicht vermissen lässt. Leider haben sich die Befürchtungen auch hier wieder bewahrheitet. Doch dazu später mehr.

1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6 5.bxa6 g6 6.Sc3 Lxa6 7.e4 Lxf1 8.Kxf1 Lg7 9.g3 d6 10.Kg2 0-0 11.Sf3 Sbd7 12.a4 Bis hierhin alles nach Schema F. Ich muss gestehen, dass ich gerne gegen Wolgagambit spiele und auch eine gute Bilanz gegen diese Eröffnung habe. 12...Da5?! als die Idee mit 12.a4 aufkam, versuchten es die Nachziehenden zunächst mit dem Partiezug, mussten jedoch nach anhaltenden Misserfolgen zerknirscht einräumen, dass 12...Db6 den Vorzug verdient.
13.Ld2 weist Schwarz freundlich auf die exponierte Stellung der Dame hin. Das Problem ist, dass Sb5 mit Tempo erfolgen wird, was Weiß genügend Zeit verschafft, sich zu konsolidieren. 13...Tfb8 14.Sb5 Db6 15.Dc2 Se8 ein typisches Manöver, um sich die b-Linie freizukämpfen. 16.Ta3!? ein typischer Zug in dieser Struktur. Weiß entfesselt den b-Bauern und behält sich vor, diesen nach vorne zu schieben. Ferner gibt es Ideen den Turm nach b3 zu überführen. Ebenfalls logisch erschien indes 16.Lc3, was den weißen Vorteil auch behauptet hätte.  16...Sc7 17.Sxc7 Dxc7 18.b4 wer "A" sagt, muss auch "B" sagen. Dies ist die Rechtfertigung von Ta3. Weiß löst die Spannung auf und verbleibt mit einem gesunden Mehrbauern. Es ist zwar noch einige Arbeit zu verrichten, am großen weißen Vorteil gibt es aber nichts zu rütteln. 18...Da7 19.Tb1 cxb4 20.Txb4 Sc5 21.Txb8 Txb8 22.Le3 Tb2 23.Dc4 Da5 Schwarz versucht aktiv gegenzuhalten, doch ist diesem Bestreben kein Erfolg beschienen. 24.Lxc5 dxc5 25.Tb3 Txb3 26.Dxb3 Lc3 der Läufer schirmt den Springer sehr effektiv ab. In manchen Szenarien steht Schwarz gar bereit Gegenspiel mit Db4 zu initiieren. Allerdings erwartet den Nachziehenden eine kalte Dusche, die die Partie praktisch auf der Stelle beendet.




27.d6! exd6 28.Sg5 mithilfe des Motivs der Überlastung wickelt Weiß in ein gewonnenes Damenendspiel ab, das ob der gewährleisteten Königssicherheit hoffnungslos für Schwarz ist.
28...c4 29.Dxc4 Dxg5 30.Dc8+ Zwischenzügliches ist zumeist Betrübliches... Kg7 31.Dxc3+. Der Rest ist logisch und bedarf keiner weiteren Kommentare. 31...Kg8 32.a5 Dd8 33.a6 Da8 34.Dd3 Kg7 35.Kg1 h5 36.h4 Kg8 37.Db5 Dxe4 38.Db7 d5 39.a7 De1+ 40.Kg2 De4+ 41.Kh2 1-0



                                           

                                                          Fink,C. - Winterberg (Nickenich, 2018)
Dies ist die Partie der sechsten Runde und Zeit auf den verkorksten Turnierverlauf zu sprechen zu kommen, der sich bereits in Runde 1 abzuzeichnen drohte. Nach 5 Runden standen bei mir lediglich 4 Zähler zu Buche. In Anbetracht der Tatsache, dass alle bisherigen Gegner mehr als 300 Punkte weniger als ich hatten, ist das exakt 1 Punkt zu wenig. Mit dieser Feststellung wird es Zeit etwas näher auf den Titel dieses Beitrags einzugehen. "Von Kämpen und Friedefürsten". Von den drei Remisen, die ich in diesem Turnier konzedieren musste, resultierte lediglich ein einziges aus einer Partie gegen einen Schachspieler, einen echten Kämpfer. Die anderen beiden Partien hatten mit Schach wenig zu tun und zeichneten sich durch das zwanghafte Bestreben meiner deutlich schwächeren Gegner aus, jedwede Spannung aus der Stellung zu saugen und bereits von Zug 1 an den Remishafen anzupeilen. Es gibt fast nichts, was mich dermaßen degoutiert, wie der Schlachtplan, von Beginn an ein Remis abzuklammern, allein weil man nominell unterlegen ist. Ich weigere mich solche Strategen als Schachspieler anzuerkennen. Unverschämte Remisgebote um Zug 20 herum sind meiner Aversion dabei sicherlich nicht zuträglich. Die vorliegende Partie könnte gegensetzlicher kaum sein, da mein Gegner mit offenem Visier kämpfte und mich so an den Rand einer Niederlage brachte.

1.g3 Sf6 2.Lg2 e5 3.c4 wer mich kennt, weiß, dass ich von Astrophysik womöglich mehr verstehe als von der Englischen Eröffnung. Ich unterlag der Illusion, dass mein Mannschaftskollege, ein eingefleischter e4-Spieler, sich auf ein ähnlich überschaubares Wissen berufen kann. Wie sich zeigen wird, fliegen wir beide tatsächlich ohne Kompass durch die Wüste, was zu einer kreativen Stellung führt. 3...c6 4.d4 und hier war ich tatsächlich bereits "out of book". 4...Lb4+ 5.Ld2 Lxd2+ 6.Dxd2 e4 7.Sc3 De7 zu theoretischen Fragen kann ich leider keine Stellung nehmen. Das Einzige, das ich zu sagen vermag, ist, dass meine Engine noch in ihrem Eröffnungsbuch ist. 8.e3 0-0 9.Sge2 d6 welchen Plan ich mit d6  statt dem sofortigen d5 verfolgte, kann ich schwer sagen. Ich glaube es fühlte sich einfach besser an. Das sind die tiefschürfenden Einsichten, die ich in Englisch zum Besten geben kann... 10.h3 Sbd7 11.g4 Der Anziehende ist nicht schüchtern. Es droht bereits g5, wonach der Bauer e4 aus der Verankerung gerissen wird. 11...Sb6 12.b3 d5 13.c5?! der Anziehende  macht deutlich, dass auch er kein großer Experte in diesem Stellungstyp ist. Der Partiezug ist nicht stellungsgemäß und sollte Schwarz keine Probleme bereiten. Der Tausch auf d5 wäre eher im Geiste der Stellung gewesen. 13...Sbd7 14.Sg3 b6 15.cxb6 axb6 16.0-0 La6 17.Tfe1 Dd6 ein ziemlich gestelzter Zug und sicherlich nicht meine erste Wahl. Mein eigentlicher Plan sah es vor, den Sf6 über e8 nach d6 umzugruppieren und anschließend f5 folgen zu lassen. Leider ist dieses Unterfangen zu langsam. Nach 17...Se8 18.f3 exf3 19.Lxf3 Sd6 20.e4 flöge das Zentrum auseinander, wonach die weiße Strategie triumphiert.
18.Sf5?! ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Springer leistet nicht viel auf f5, mehr noch, er nimmt den Druck von e4 und sieht sich zudem Angriffen mit g6 ausgeliefert. 18...De6 19.Tac1 Weiß spielt auf taktische Tricks mit Txc6, diese erscheinen allerdings etwas unrealistisch. 19...h5 gießt Öl ins Feuer. Das Spiel wird nun sehr scharf. 20.f3 g6





Hier erwartete ich 21.Sg3 mit der Idee 21...exf3 22.Lxf3 hxg4 23.hxg4 Sxg4 24.e4 mit starkem Druck. Stattdessen folgte das kompromisslose 21.fxe4!?. Da ich keinen forcierten Verlust gefunden habe, geschah das gierige 21...gxf5. 22.exf5 Dd6 23.e4 dxe4 aus der Not geboren. Ich berechnete korrekt, dass 23...Sh7 sehenswert scheitert. Man sehe 24.e5 De7 25.e6 Sb8 (nach 25...Sf6 g5 würde Schwarz überrollt und 25...fxe6 26.Txe6 ist einfach nur schlecht) 26.Sxd5! cxd5 27.Lxd5 mit der Doppeldrohung Lxa8 und exf7. So viel mir auch an Ästhetik liegt, solche Varianten berechne ich ungerne zu eigenen Ungunsten. 24.Dg5+ Dieses Schach führt objektiv betrachtet zu schwarzem Vorteil. Ich erwartete das natürliche 24.Sxe4 und nach 24...Sxe4 25.Lxe4 war ich mir nicht sicher, ob ich zunächst ein Schach auf g3 gebe, oder sofort f6 ziehe. Deutlich stärker als die beiden Ideen erscheint jedoch der Vorschlag der Engine, 25...Sf6!, da nun 26.Txc6 an 26...Sxe4 -+ scheitern würde. 24...Kh7 25.Sxe4 Dxd4+ 26.Kh1 es steht Spitz auf Knopf. Hinzu kommt, dass ich hier bereits in hochgradiger Zeitnot rangierte. Die Hauptdrohung lautet Txc6. Ich geriet zunehmend in Panik und versteifte mich in der Überzeugung trotz Mehrfigur in argen Nöten zu sein. In sotanen Umständen ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich von diesem Moment an nicht die besten Züge fand. 26...Ld3? das sollte verlieren. Dabei war es dieser trickreiche Zug, mit dem ich hoffte, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Der Silikonkopf plädiert für 26...Tae8! mit schwarzem Vorteil. 27.Sxf6+ die Idee von 26...Ld3? offenbart sich nach 27.Tcd1 wenn 27...Txa2 mit der Idee Txg2 geplant war. Es ist halt ein munteres Hauen und Stechen... 27...Sxf6 28.Txc6 Tae8 Bis hierhin hat Weiß alles richtig gemacht doch nun war ein letztes Mal Präzision gefragt.





29.Tee6? Für die Galerie gespielt, objektiv aber ein kapitaler Bock, wenn auch mit Schockeffekt. Den Gewinnzug 29.Td1! übersahen wir beide gleichermaßen. Ich antizipierte naiverweise 29.Tg1 und plante darauf das noch viel schlechtere 29...Sg8??, das nach 30.f6! mehr oder weniger linear verliert. Stattdessen sollte Schwarz das Remis mit 29...Le4 unter Dach und Fach bringen. Nach dem Partiezug 29.Tee6 fiel es mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen und in Zeitnot versäumte ich es, die Korrektheit in Frage zu stellen. 29...Txe6! das ist noch richtig. Zum Remis würde 29...fxe6 30.Tc7+ Sd7 31.Dxh5+ Kg8 32.Dg6+ Dg7 33.Dxg7+ Kxg7 34.Txd7+ Kf6 35.Txd3 führen. 30.fxe6 fxe6? und Schwarz knickt ein. Allerdings ist es verzeihlich weder das gewinnbringende 30...Te8! 31.e7 Sg8 32.Dxh5+ Kg7 -/+ noch das noch stärkere 30...Tg8!-+ zu sehen und richtig zu beurteilen. Die Partie fand nach 30...fxe6 31.Tc7+ Sd7 32.De7+ Kh8 33.Txd7 Da1+ ein versöhnliches Ende. So macht Schach Spaß, auch wenn das Ergebnis nicht unbedingt wünschenswert war!


Abschließend noch zwei Stellungen, in denen die weiße Aktivität eine optische Illusion ist und die Beschaffenheit der eines Potemkinschen Dorfes gleichkommt.



                                                        Winterberg - GM Danin (Karlsruhe, 2018)



Weiß hat früh einen Bauern ins Geschäft gesteckt und scheint einen starken Angriff zu genießen. Laut Engine ist die Stellung mit 0,00 zu bewerten. Am Brett war mir das natürlich nicht klar und ich träumte von einem schneidigen Angriffssieg. Leider erkannte ich ein Problem in Form von Df5. Ein Damentausch stand ganz sicher nicht auf meiner Agenda, wollte ich doch mattsetzen. Nach einiger Überlegung entschloss ich mich zu dem brachialen Zug 24.g4? und stand zufrieden auf. Als ich ans Brett zurückkehrte, traute ich meinen Augen kaum. 24...gxh5!!-+ Ein Ausrufezeichen für die Kreativität und die Kaltblütigkeit und eines für die objektive Stärke. Das Problem ist nicht mal, dass Weiß eines weiteren Bauerns verlustig gegangen ist, (weder Turm noch Bauer dürfen aufgrund diverser Überlastungen der Dame schlagen), das eigentliche Problem besteht in der Tatsache, dass auf g4 eine Gabel droht, die Weiß wirklich nicht ignorieren kann. Sämtliche taktische Ideen scheitern, so spielte ich nach 35 min. kleinlaut 25.Tg3 um nach 25...h4 auf verlorenem Posten zu stehen und wenig später das Handtuch zu werfen.


Die nächste Stellung stellt eine Anomalie dar und ist eine der wenigen Fälle, bei denen ich von Pech sprechen würde.

                                                         Winterberg - Barzen (OSW 2018)




Die Diagrammstellung entstand nach den Zügen: 1.c4 Sf6 2.Sc3 e6 3.e4 d5 4.e5 d4 5.exf6 dxc3 6.bxc3 Dxf6 7.d4 Sc6 8.Sf3 e5 9.Lg5 Dg6 10.d5 Sb8 11.h4 h6 12.h5 Db6 13.Le3 Da5 14.Dd2 Ld6 15.Tb1 b6 16.c5 bxc5 17.Tb5 Da4 18.Th4

Insbesondere die Züge 15...b6 und 17...Da4 sind schockierend schlecht und zeugen von keiner Schachkultur. Ein flüchtiger Blick auf die Stellung legt die Annahme nahe, dass Weiß bereits komplett auf Gewinn steht. Die stärkste schwarze Figur ist völlig deplatziert und zudem noch fast gefangen. Überdies ist der Nachziehende völlig unterentwickelt. Weiß hingegen entfaltet eine beträchtliche Aktivität und hat offenbar bisher aktiv und logisch gespielt. Ich bin kein dogmatischer Spieler, doch hier konnte selbst ich mich keines vorschnellen, auf Prinzipien basierenden Urteils erwehren. Die schockierende Wahrheit ist jedoch, dass die schwarze Stellung völlig befriedigend ist. Die beste Chance bestand in 18...e4 19.Db2 Sd7 20.Tb3 0-0 21.Lb5 (21.Ta3? Tb8 22.Dc1 Dxa3! 23.Dxa3 Tb1+ mit Vorteil für Schwarz) Da5 22.Txe4 c6! Weiß gewinnt einen Bauern, die Stellung bleibt aber extrem unklar, da Weiß diverse Bauernschwächen hat, das Rochaderecht verwirkt ist und die Türme, die quer über das Brett fegen, ebenfalls Angriffsziele darstellen. In der Partie entging mir diese Möglichkeit. Ich geriet schnell unter Druck und verlor.


Ich wünsche allen Lesern eine schöne Sommerpause!




Mittwoch, 19. April 2017

Von Schachpilgern und Ikonen

Hallo Schachfreunde,

letzte Woche war es wieder soweit. Schachspieler von nah und fern folgten dem Ruf ihres Herzens und pilgerten zu Ostern nach Karlsruhe um in religiösem Eifer dem Schachsport zu frönen. Dabei galt es möglich wenige Ostereier - auch bekannt als Null in der Ergebnistabelle- zu sammeln. Seit das Turnier letztes Jahr von Deizisau nach Karlsruhe umgezogen ist, konnte ein enormer Teilnehmeranstieg verbucht werden. Dies liegt nicht zuletzt an dem saftigen, aufgestockten Preisfond für den der Sponsor, der Vorstandsvorsitzende der Grenke Gruppe, Sorge trägt. Dieses Jahr wurden alle Rekorde gesprengt, das Grenke Open ist zum größten Schach-Open der Welt avanciert. Rechnet man die Teilnehmer der drei ratingbeschränkten Turniere zusammen, kommt man auf über 1200 Spieler...manche Bekannte hat man erst am fünften und letzten Spieltag ausfindig gemacht.

Abgesehen von dem an der Spitze durchaus hochklassigen Open, wurden die ersten drei Runden der Grenke Chess Classics am Osterwochenende ausgetragen. Dort geben sich in einem Rundenturnier Spieler wie Caruana, Carlsen, MVL und Aronian die Ehre. Karlsruhe ist damit endgültig zur Pilgerstätte mutiert, viele eilten herbei um den halbgottgleichen Götzenfiguren auf der Bühne die Ehre zu erweisen.

Wie nicht anders zu erwarten, war es für uns Normalsterbliche schwer sich im oberen Tabellendrittel zu etablieren. Selbst namhafte Großmeister konnte man des Öfteren an Brettern jenseits der 70 vorfinden. Mit 5,5/9 belegte ich am Ende den 162. Tabellenplatz, was eine Verschlechterung meines Setzlistenplatzes bedeutet.

Trotz des schlechten Ergebnisses und -9 Elopunkten bin ich nicht gänzlich unzufrieden mit meinem Spiel. Drei der neun Partien waren von A-Z peinlich, aber das kenne ich ja nicht anders von mir. Hinzu kommen kapitale Böcke, die ich in Gewinnstellungen geschossen habe, um diese in der mir eigenen dilettanischen Manier in Remis-/Verluststellungen zu transformieren. Dies wiederum lag in erster Linie an meinem schlechten Timemanagement. Es ist schon eine Weile her, dass ich ohne Inkrement gespielt habe und ich brauchte eine Weile, um mich an die klassische Bedenkzeit zu gewöhnen.

Doch wo Schatten ist, da ist auch Licht. Zufrieden bin ich mit meiner Variantenberechnung und dem "taktischen Auge". In der Vorausberechnung gelang es mir oft taktische Nuancen herauszuarbeiten und diese in den Plan mit einzubinden. Für einen billigen Taktiker wie mich ist das tatsächlich ein Fortschritt. Ein paar interessante Momente werde ich im Folgenden kommentieren:


                                                      Winterberg - GM Moussard (2571)

1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.c4 d6 4.Sc3 Sf6 5.Le2 0-0 6.Sf3 e5 7.0-0 Sc6 8.d5 Se7 9.Se1 Sd7 10.Sd3 f5 11.f3 f4 12.Ld2 g5 13.Tc1 Sg6 14.c5 Sf6 15.cxd6 cxd6 16.Sb5 Tf7 17.Dc2 Se8 18.a4 h5 19.Sf2 Zu all diesen Zügen sei gesagt, dass es sich dabei um eine theoretische Variante handelt. Allerdings befürchte ich, dass Weiß zukünftig nicht mehr so spielen kann. Der Partieverlauf wird aufzeigen, weshalb ich ob der weißen Chancen so pessimistisch gestimmt bin.  19...Ld7!? ein interessanter Zug, der Sxa7 ein für alle Mal aus der Stellung nimmt. In der Folge werde ich das Maximale aus meiner Stellung rausholen. Leider scheint das nicht auszureichen.  20.Db3 Lf8  zu weißem Vorteil hätte das direkte 20...g4 21.fxg4 hxg4 22.Sxg4 Lxg4 23.Lxg4 Db6+ 24.Kh1 a6 25.Le6 geführt.   21.Tc3!








Dieser Zug verfolgt drei verschiedene Ziele. Zunächst bereitet Weiß die Verdopplung auf der c-Linie vor. Doch wieso Tc3 und nicht Tc2? Tc3 hat zwei Vorteile gegenüber Tc2. Erstens ist die Db3 gedeckt, was Db6-a6 Motive aus der Stellung nimmt und zweitens leistet der Turm entlang der dritten Reihe gute Verteidigungsarbeit. Sollte Schwarz irgendwann g4 durchdrücken, wird der Turm Aktivität entlang der dritten Reihe entfalten können. Was kann ein Zug mehr leisten? 21...a6 gibt dem Springer die Sporen, schwächt allerdings auch das Feld b6. Es beginnt ein Wettrennen bei dem es so scheint, als wäre der Nachziehende einen Tick schneller.  22.Sa3 Sf6 23.h3 Sh4 24.Tfc1 Tg7 25.Dd1 Weiß mobilisiert alle Kräfte um den Vorstoß g4 zu unterbinden. Eine Faustregel in solchen Strukturen lautet, dass Weiß im höheren Sinne bereits auf Gewinn steht, sollte Schwarz den angestrebten Vorstoß g4, auf den er sein gesamten Spiel ausrichtet, nicht realisieren können.  25...De8 26.a5 Dg6 27.Le1! wiederum umsichtig gespielt. Nun wackelt der Sh4 27...Le7 28.Sc4 Weiß droht mit Sb6 den Stolz der schwarzen Stellung, den weißfeldrigen Läufer, abzutauschen. Wird Schwarz jemals g4 durchsetzen können?...   28...Tf8 29.Sb6 ...leider braucht er das nicht. Wir erreichen den kritischen Punkt in dieser Partie. Man kann sich mit Weiß nicht besser aufbauen als ich es getan habe. Alle Figuren haben ihre idealen Felder besetzt und trotzdem bricht die Stellung auseinander, daher befürchte ich, dass das weiße Konzept widerlegt ist.








29...g4 30.fxg4 hxg4? Rechtfertigt die weiße Strategie. Im Königsinder muss man stets dazu bereit sein, brachiale Methoden anzuwenden. In diesem Moment hätten diese Anwendung finden können, gar müssen. Nach 30...Lxg4! hätten Weiß harte Zeiten bevorgestanden, man sehe z.B. 31.hxg4 Sxg2! wer zählt schon die Figuren? 32.Kxg2 hxg4 und obwohl Weiß zwei Figuren mehr hat, bevorzugt die Engine Schwarz...kein gutes Zeichen. Aber wo lag der weiße Fehler? Schwer zu sagen, ich vermute, dass das gesamte System nicht spielbar ist.  31.Sxd7 gxh3 Schwarz kann sich nicht den Luxus leisten auf d7 zu schlagen, da er seines Rammbocks in Form des Bauern g4 verlustig ginge. 32.Sxf6+ Txf6 Was nun folgte lässt sich schwer in Worte fassen. Vor einigen Zügen hatte ich vorausberechnet, dass sowohl Sg4 als auch Lg4 den schwarzen Angriff zuverlässig zum Erliegen bringen und somit die Partie gewinnen sollten. Ich hatte noch reichlich Zeit auf der Uhr und gönnte mir den Luxus den besten Zug zu ermitteln. Dabei stieß ich auf kleinere Probleme, z.B. 33.Lg4 Sxg2 mit der Drohung Se3. Zwar sah ich noch 34.Ld2 aber irgendwie beunruhigte mich der Sg2 etwas. Im Falle von 33.Sg4 hätte man 33...Sxg2 34.Lf2! finden müssen. Laut Engine ist Sg4 deutlich stärker, ich hätte mich aber höchstwahrscheinlich für 33.Lg4 entschieden. Stattdessen kam alles anders...Ich hatte mir eingeredet Abstand von derartigem Scheuklappen-Denken zu nehmen und unvoreingenommen nach weiteren Alternativen zu suchen. Und in der Tat fand ich eine dritte Möglichkeit und das Schicksal nahm seinen Lauf.  33.g4??













Das ist möglicherweise der gröbste Fehler, der mir je unterlaufen ist. Zwei Fragezeichen wirken fast geschmeichelt. Als ich diesen unsäglichen Zug ausführte, war ich mir sicher glatt auf Gewinn zu stehen. Ich erwartete eine baldige Aufgabe.  33...Sg2 führt nun zu nichts, da Schwarz nach 34.Txh3 Se3 ohnehin nicht auf g4 zu schlagen droht. Auch nach 33...f3 34.Lf1 versiegt die schwarze Initiative... und nach der Partiefortsetzung 33...fxg3 e.p.  wollte ich einfach auf h3 schlagen. Der Bauer g3 verstopft die g-Linie und ich werde ihn zeitnah mit Txg3 abholen. Das schreckliche Übersehen, welches mir dabei unterlief besteht in 34.Sxh3 Dxe4! dieser Bauer ist nicht mehr gedeckt und matt auf g2 ist nicht mehr zu vermeiden. Ich versuchte noch 34.Tc8+ Lf8 35.Sg4 h2+ 36.Kh1 Tf1+ mit Matt.  Ausgesprochen schmerzhaft aber c'ést la vie. Für meinen Gegner muss es sich angefühlt haben wie Ostern und Weihnachten noch dazu. Es sollte nicht die letzte Partie sein, in der ich den Gewinn verzockt habe.


Zum Abschluss noch eine Partie, die meine taktischen Fähigkeiten in einem besseren Licht zeigt.

                                                              Kitze (2191) - Winterberg

1.e4 c6! Ich habe dieser Eröffnung mehr als 10 Jahre lang Unrecht getan, in diesem Turnier wendete ich sie zum ersten Mal an. In den drei Partien erzielte ich 2,5 Punkte, in der dritten warf ich eine Stellung weg, in der die Engine forciert matt angibt...   2.d4 d5 3.Sd2 dxe4 4.Sxe4 Lf5 5.Sg3 Lg6 6.h4 h6 7.Sf3 Sd7 8.h5 Lh7 9.Ld3 Lxd3 10.Dxd3 e6 11.Ld2 Sgf6 12.000 Le7 13.Kb1 Db6!? eine Nebenvariante, die m.E. unterschätzt wird. 13...00 erscheint mir tatsächlich recht riskant, der Partiezug hingegen punktet nicht nur in der Praxis gut, sondern scheint mir auch zu durchaus vernünftigen Stellungen zu führen. 14.Se4 Td8 15.c4 offen gestanden, bin ich nicht von dieser Vorgehensweise überzeugt. c4 ist sehr verbindlich, da Bauern nicht zurückziehen können. Der Bauer könnte daher später als Angriffsobjekt dienen und die weiße Königsstellung schwächen. 15...00 16.Lc3 c5 17.Sxf6+ Lxf6 18.De3 ich hatte auf 18.g4 gehofft, auf das ich 18...e5! geplant hatte. Die taktische Rechtfertigung besteht in 19.d5 e4 wenn Weiß eine Figur einbüßt. Die einzige Möglichkeit für Weiß ist wohl 19.Dd2 worauf ich 19...cxd4!? plante (die Engine schlägt 19...De6 vor, was vermutlich noch stärker ist). Auf 20.La5 wollte ich 20...Dc6 21.Lxd8 Txd8 22.De2 d3 23.De3 d4 spielen mit überwältigendem Spiel für das kleine Materialdefizit.
18...Da6 und schon wird auf c4 gepocht. 19.b3?! lockert die Stellung noch weiter. Vernünftiger wäre wohl 19.De2 gewesen.  19...b5 20.cxb5 Dxb5 21.d5 hier dachte ich etwas länger nach. Am logischsten erscheint 21...exd5 nebst 22...Tfe8 wonach Schwarz den Turm mit Tempo ins Spiel einschaltet. Doch dann fand ich eine taktische Idee, die danach verlangt hat gespielt zu werden.
21...Lxc3 22.Dxc3 exd5 23.Txd5 Sb6!











Die taktische Pointe besteht darin, dass Weiß sich nicht auf c5 bedienen kann. 24.Dxc5 würde an Txd5 scheitern und 24.Txc5 verbietet sich aufgrund des wunderschönen geometrischen Motivs 24...Sa4. Ich brauchte einige Minuten, um diese Möglichkeit in der Vorausberechnung zu erfassen.
24.Te5 diese Möglichkeit habe ich leider total unterschätzt. Ich dachte, dass Weiß im Angriff untergeht, sollte er nicht auf c5 nehmen können. Allerdings verhindert der Turm von e5 aus den Vorstoß c4 und dieser wird auch im Folgenden nicht leicht zu realisieren sein. 24...Sd5 erneut nach längerem Nachdenken gespielt. 24...Sa4 oder 24...Td3 sehen zwar verlockend aus, führen im Endeffekt aber zu nichts. 25. Dc2? viel besser wäre Weiß mit 25.Dc4 beraten gewesen. Zwar öffnet sich nach 25...Dxc4 26.bxc4 Tb8+ 27.Ka1 Sb4 die b-Linie, doch verhindert 28.Te2 das Matt, wonach Schwarz nur marginal besser steht.  25...a5 26.Ka1 Rfe8? Der einzige Zug in dieser Partie mit dem ich sehr unzufrieden bin. Vorzuziehen war 26...Db6!? was aus der Fesselung entlang der fünften Reihe geht und sich vorbehält die Dame nach f6 zu überführen. 27.Txe8?! erwidert den Gefallen. Besser war 27.The1, ich übersah, dass nach 27...Txe5 28.Sxe5 Db4 der Zug 29.Td1 möglich ist, wonach der Vorteil restlos weg ist. 27...Txe8 28.Tc1 Sb4 hier hatte ich das Partieende bereits vor Augen, dank der freundlichen Mithilfe meines Gegners wird die Partie einem eleganten Ende entgegen geführt. 29.Dxc5 mit einem schlechteren Endspiel hätte sich Weiß nach 29.Dc4 Dxc4 30.Txc4 Te2 beschäftigen dürfen.  29...De2 30.Dxa5 einziger Zug  30...Sd3 31.Tb1 erneut forciert 31...Dxf2 ich war mir sicher, dass die weiße Stellung komplett verloren ist. Der Ka1 steht latent auf matt, der Tb1 behindert mehr, als dass er nützt und Schwarz verfügt über manigfaltige Drohungen, z.B. Te2, Dxg2 oder die Überführung der Dame auf die Diagonale a1-h8. Zu meinem Erstaunen sagt die Engine, dass Schwarz "nur" besser steht nach 32.a4 Mein Respekt gilt dem, der so spielen würde! Ich habe stattdessen nur 32.Dd2 und 32.Dc3 berechnet. 32.Dd2 läuft in 32...Te2-+. Und Dc3 wurde zu meiner großen Freude tatsächlich gespielt.










Ich konnte meine Aufregung am Brett nur schwerlich zurückhalten, ein Adrenalinstoß durchfuhr mich ob des nun folgenden Schlussakkords.

32...Dxa2+! 0-1

Dienstag, 8. März 2016

Oberliga SW 2015/16

Hallo Schachfreunde,

während zur Zeit die Ukrainerin Mariya Muzychuk und die Chinesin Yifan Hou in einem Match über 10 Partien um die WM-Krone kämpfen -zur Zeit steht es 3-2 für Hou- neigt sich im schönen Rheinland-Pfalz die Oberligasaison 2015/16 ihrem Ende entgegen. Eigentlich ist es für einen Rückblick noch etwas zu früh, da noch eine Runde zu spielen ist, allerdings ändert deren Ausgang nichts an der Gesamtsituation. Unsere Mannschaft hat sich sehr gut behauptet und findet sich derzeit auf dem 3. Tabellenplatz wieder. Selbst im Falle eines Verlustes in Runde 9  könnten wir einen soliden Mittelfeldplatz beanspruchen. Auch die individuellen Leistungen überzeugen. Zusammengerechnet haben unsere 8 Stammspieler ein Ratingplus von 93 DWZ-Punkten angehäuft.

Für mich ist es das erste Jahr am Spitzenbrett, eine ehrenwerte, fast schon einschüchternde Aufgabe. Vor der Saison, in die ich mit einer Elo von 2293 startete, setzte ich mir als Ziel, mindestens 50% der Punkte, sprich 4,5/9, zu holen. Für den Fall, dass es besonders gut läuft, träumte ich von 5/9. Eine Runde vor Schluss kann ich schon mal konstatieren, dass nichts mehr schiefgehen kann. Nach 8 Runden führe ich mit 5,5/8 die Konkurrenz am Spitzenbrett an und verbuche außerdem ein sattes Ratingplus von 45 DWZ- und 36 Elopunkten.

Kann ja mal passieren...Aber wie konnte es so weit kommen?

Ich startete in die Saison mit einem Schwarzremis gegen Frank Mayer (2319). Damit war ich sehr zufrieden, es war wichtig, nicht direkt das erste Spiel gleich zu vergeigen. Außerdem gab ich den Ton in der Partie an und es war mein Gegner, der die Friedensbemühungen anzetteln musste. In Runde 2 lief mein Gegner, FM S. Pucher (2326), in eine Variante, die ich einige Wochen zuvor in extenso analysiert hatte. Ich knetete ihn gut durch, übersah dann ein paar Gewinnwege und gewann am Ende glücklich mit T+L+K gegen T+K nach geschlagenen 98 Zügen und über 6 Stunden Spielzeit. In Runde 3 spielte ich gegen FM le Corre (2297) eine solide Partie mit Schwarz. Wiederum war ich derjenige, der auf Sieg spielte, jedoch leider eine aussichtsreiche Fortsetzung übersah und am Ende ins Remis einwilligen musste. Motiviert und erkältet ging es dann in Runde 4 nach Schwarzenbach, wo mich FM R. Müller (2301) erwartete. Mein Gegner, der bei der tags zuvor beendeten Dt. Meisterschaft sein persönliches Waterloo erlebte, und ich, der von einem Infekt geplagt und ohne Schlaf ans Brett ging, blickten einander scheu an, kämpften dann aber wie die Bergziegen. Am Ende  brachte mein Angriff mir entscheidenden Materialvorteil ein, den ich dann auch mehr oder weniger souverän verwertete. In Runde 5 erwartete mich dann der renommierte Großmeister Sarunas Sulskis (2537). Gegen ihn zu punkten, und sei es nur ein Remis, hätte den Beweis erbracht, dass ich der Herkulesaufgabe, die mir meine Mannschaftskollegen anvertraut hatten, gerecht bin. Leider spielte der sympathische Litauer an diesem Tag bärenstark und fegte mich vom Brett. Zum Preis von 5 Ratingpunkten bekam ich an diesem Tag eine Lektion von einem namhaften GM erteilt und lernte viel dazu. Diese Niederlage kam genau zur richtigen Zeit. In Runde 6 bekam FM Lisanti (2228) als dritter FM meinen Weiß-Aufschlag zu spüren. Ich spiele konsequent auf Angriff und gewann trotz Zeitnot eine sehenswerte Partie. In Runde 7 wurde ich mit Schwarz erneut unter Druck gesetzt. Dennis Nasshan (2243) spielte kreativ und ich musste genau spielen, um ein Debakel zu verhindern. Dies gelang mir und die Balance wurde nie wirklich gestört. Kurz vor der Zeitkontrolle verpasste ich zwar einen Gewinn, verdient wäre dieser Sieg aber ohnehin nicht gewesen. Am Ende stand das Remis. In Runde 8 erwartete mich dann der stärkste Spieler der gesamten Liga: GM Ovsejevitsch (2588). Selbstverständlich wollte ich meine 100% Ausbeute mit Weiß beibehalten, realistische Hoffnungen solch ein Schwergewicht zu Fall zu bringen machte ich mir natürlich nicht.

Folgendes geschah...

                                                   Winterberg - GM Ovsejevitsch (2588)
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.Lxc6!? Diesen Zug habe ich noch nie zuvor gespielt. Zum einen wollte ich meinen Gegner damit überraschen, zum anderen führt diese kontroverse Variante häufig zu ruhigen Stellungen, in denen nur Weiß auf Gewinn spielen kann. Führende Großmeister vertreten unterschiedliche Ansichten über diese Variante. Manche vertreten die Vorzüge der weißen Spielweise und behaupten, die Aufgabe des Läuferpaars wäre aufgrund der Veschlechterung der schwarzen Bauernstruktur und daraus resultierendem Vorteil in den meisten Endspielen, vollends gerechtfertigt. Allerdings argumentieren auch zahlreiche GMs für die dunkle Seite der Macht. Sie behaupten, dass das Läuferpaar Schwarz leichten Ausgleich gewähren sollte und der konkrete Ansatz des Weißen etwas blutleer ist, verglichen mit den komplizierten, unklaren Hauptvarianten der Spanischen Partie.
Ich denke, die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen. Die klassischen spanischen Hauptvarianten sind sicherlich ambitionierter, bergen allerdings auch mehr Gefahren. Der Tausch auf c6 ist sicher nicht zu widerlegen und sollte Schwarz auch vor das eine oder andere praktische Problem stellen. 4...dxc6 5.0-0 Df6 6.d4 exd4 7.Lg5 Dd6 8.Sxd4 Le7 9.Le3 Es mag attraktiv erscheinen, das schwarze Läuferpaar zu halbieren, doch habe ich den Eindruck, dass in diesem konkreten Fall zu viel Spannung aus der Partie genommen wird und Weiß kaum in der Lage sein dürfte einen Vorteil zu reklamieren. Weiß verfügt zur Zeit über Raumvorteil, daher macht es Sinn möglichst viele Steine auf dem Brett zu behalten. Die schwarzen Figuren werden es nicht leicht haben attraktive Felder zu besetzen. 9...Dg6 ab hier musste ich eigenständig denken. 10.Sc3 Sf6 11.f3 es fällt schwer, diesen Zug zu kritisieren, aber es ist gut möglich, dass Weiß mit dem konsequenten 11.f4! einen Vorteil hätte verbuchen können. Man sehe: 11...Sxe4 (11...Lg4 12.Dd3 c5 (12...0-0-0 läuft in 13.Sxc6! bxc6 14.Dxa6+ +- mit vernichtendem Angriff) 13.f5 Dh5 14.Sf3 Td8 15.De2 0-0 16.h3 Lxf3 17.Txf3 Te8 18.Lf4 Ld6 19.g4 Dh4 20.e5 mit weißem Vorteil) 12.f5 Sxc3 13.fxg6 Sxd1 14.gxf7+ Kf8 15.Taxd1 Lf6 bis hier hatte ich gerechnet und es als schlecht für Weiß abgetan.

Analysediagramm:



Der Silikonkopf rechnet allerdings weiter und entkorkt das phantastische 16.Sxc6!! bxc6 (16...Kxf7 17.Se5+ Ke8 18.Sd3 +/= ist aufgrund der unterentwickelten Figuren und der anfälligen Königsstellung sehr gefährlich für Schwarz) 17.Txf6! gxf6 18.Td8+ Kg7! 19.Txh8 Lb7 20.Te8 Kxf7 21.Te4 +/= Trotz der Präsenz der ungleichfarbigen Läufer sollte die Aktivität der weißen Figuren und die Anfälligkeit der schwarzen Bauern dem Anziehenden einen soliden Vorteil einräumen, den er risikolos auf Gewinn anlegen kann.

Stattdessen folgte 11.f3 0-0 12.De1 Beachtung verdiente das sofortige 12.Sce2 mit leichtem Vorteil für Weiß. 12...Se8 bereitet den Befreiungschlag f5 vor. Etwas genauer erscheint indes 12...Ld6 mit der Idee 13.Sce2 mit 13...Sh5!? zu beantworten. Allerdings behielte Weiß nach 13.Dh4 auch hier etwas mehr vom Spiel.  13.Sce2 f6 sichert der Dame das Rückzugsfeld f7. 14.Sf4 Df7 Hier investierte ich ca. 30min. um die Folgen des Partiezugs 15.Sf5 zu berechnen. 15...Ld6 nach diesem Zug, den mein Gegner ziemlich schnell spielte, ärgerte ich mich über mein Zeitmanagement. Der Grund für meine lange Denkpause lag in der Berechnung der Variante 15...Lxf5 16.exf5 Sd6 17.Se6 Tfc8 18.g4 g6 Es stellt sich heraus, dass sich der weiße Springer nach 19.Dg3! Kh8 20.Dh3 behaupten und der Punkt f5 verteidigt werden kann. Weiß behält klaren Vorteil. 16.Sxd6 cxd6?! Schwarz will seine Bauernstruktur in Ordnung bringen, doch führt das zu neuen Problemen. Es war wahrscheinlich besser, sich nach 16...Sxd6 mit einer schlechten, aber zumindest etwas aktiveren Stellung abzufinden. 17.Dc3 Le6 Auf 17...f5 hätte Weiß mehrere Möglichkeiten eine vorteilhafte Stellung zu behalten. Neben 18.e5 macht vor allem 18.Tae1!? einen sehr gesunden Eindruck, wenn sich zeigt, dass die weißen Figuren viel besser auf die Öffnung des Spiels vorbereitet sind.  18.Tad1 Td8 19.Lb6 Td7 20.Tfe1 prophylaktisch gegen f5 gerichtet. 20...g5 Es verbietet sich 20...f5 wegen 21.e5 mit gewinnbringendem Vorteil.  21.Sxe6 Dxe6 22.Lf2?! Es zeigt sich, dass die schwarze Stellung passiv, aber eben auch sehr solide ist. Möglicherweise sollte Weiß dem Ruf der Engine folgen und zunächst 23.b3 spielen. An der Stellungsbewertung ändert sich jedoch nichts. Weiß behält klaren Vorteil ohne das ersichtlich ist, wie er die schwarze Stellung knacken, bzw. den Bauern d6 erobern kann. 22...Sg7 23.Td3 h6 24.Db3 Dieser Zug ist schwer einzuschätzen. Eine interessante Idee, auf die ich aufmerksam gemacht wurde, besteht in 24.g4!? was den Befreiungsschlag f5 ein für alle Mal rigoros unterbindet. Nach 24...h5 25.h3 Kf7 26.Ted1 Th8 27.Kg2 könnte Weiß im Folgenden in aller Seelenruhe versuchen mit b3 nebst c4 den Bauern d6 zu fixieren und ihn dann mit aller Macht anzugreifen. Weiß behielte definitiv eine starke Initiative, weshalb 24.g4!? gegenüber der Partiefortsetzung 24.Db3 wahrscheinlich objektiv den Vorzug verdient.  24...Dxb3 25.axb3 Dies ist vielleicht sogar eine Verbesserung der Bauernstruktur, wenn man bedenkt, dass der Bauer auf b3 den Bauern c4 stützen wird und Weiß bequem mit dem Turm auf die a-Linie schwenken kann, sollte sich Schwarz zu b5 erdreisten. 25...Kf7 26.Ted1 Ke6 27.Lc5 Se8 28.g4 nun also doch 28...h5 29.gxh5 Th8 30.c4 Txh5 31.Lf2 Der Läufer wird auf g3 eine dominante Stellung einnehmen. Objektiv befindet sich das Spiel inzwischen im Gleichgewicht, aber Weiß kann nach wie vor nach Belieben "rühren", während Schwarz immer noch am Bauern d6 kleben muss. 31...f5 32.gxf5+ Kxf5 33.Lg3 Th6 34.Kf2 Te6 35.T1d2 Th7 36.Kg2 da Schwarz ohnehin kaum Fortschritte machen kann, lautete mein Credo die Lage vor der Zeitkontrolle nicht weiter zu forcieren und erst mal ein bisschen zu lavieren. 36...Thh6 37.Kf2 Thf6 38.Td4 Kg6 39.Tg4 nimmt eine neue Schwäche aufs Korn 39...Tf5 40.h4




Die schwarze Lage hat sich verschlechtert. Die Fesselung auf der g-Linie erweist sich als unangenehm, vom Druck gegen den Bauern d6 ganz zu schweigen. Der Springer darf nicht ziehen, während Kh6 und Kf6 an hxg5+ nebst Lf4 bzw. Lh4 scheitern. Am besten erscheint 40...Kh5 auch wenn Weiß nach 41.Tdd4! +/= gute praktische Chancen hat. Stattdessen folgte 40...b5?! 41.Td1! stark gespielt. Das sofortige 41.f4 verbietet sich in Anbetracht von 41...Sf6 42.Txg5+ Txg5 43.fxg5 Se4+ wenn Weiß seines Td2 verlustig geht. Ein netter Nebeneffekt von Td1 ist, dass der Turm bereit ist, auf die a-Linie zu schwenken um den Bauern a6 zu befragen, oder nach g1 bzw. h1 um gegen den schwarzen König vorzugehen. Auch f4 ist nun eine Drohung. Schwarz ist nicht zu beneiden.
41...bxc4 42.bxc4 Te7 43.Lxd6? Der kritische Moment in dieser Partie. Weiß hat eine breite Auswahl an vielversprechenden Zügen, der Partiezug sollte allerdings nur zum Remis führen. Auch 43.f4?! führt nach 43...Tb7 44.Txg5+ Txg5 45.fxg5 Txb2+ 46.Kf3 Tb4 nicht zum gewünschten Ergebnis, auch wenn Weiß etwas Vorteil behält. Interessant ist indes 43.Txg5+!? Txg5 44.hxg5 Tb7 45.Td2 Kxg5 46.Te2 Tb8 47. c5 Td8 48.Te4! droht Lh4 48...d5 (erzwungen, da 48...Kg6 an 49.Lh4 Tc8 50.Txe8! Txe8 51.cxd6 mit Umwandlung des Bauern scheitern würde.)  49.Te6 +/= und Weiß behält etwas Vorteil, während Schwarz für das Remis noch lange und hart kämpfen muss. Am stärksten erscheint allerdings der Vorschlag Houdinis, der für 43.b4! plädiert. In meinen Augen ist dieser Zug sehr unmenschlich und kaum am Brett zu finden. Die Idee besteht darin, den Status Quo aufrecht zu erhalten und zudem noch Ta1 zu drohen. Tb7 würde nun nach Te1 zu großen Problemen führen und auch andere Fortsetzungen sind sehr unattraktiv. Der Partiezug 43.Lxd6? wirft leider alles weg. 43...Td7 44.c5 Tb7 45.Txg5+ Auch 45.f4 Txb2+ 46.Kg1 Sf6 47.Txg5 Txg5 48.fxg5 Se4 würde zu nichts führen. 45...Txg5 46.hxg5 Txb2+ 47.Kg3 Kxg5 48.Le5






Darauf hatte ich mich verlassen, als ich 43.Lxd6 spielte. Ich unterlag dem Wahn, dass der Angriff auf den Tb2 in Kombination mit der Drohung Td8 den Sieg bringen sollte. Im Fall von 48...Te2 49.Td8 Txe5 hätte Weiß den Trick 50.f4+. Im Fall von Sf6 könnte ich den Bauern c6 gratis abräumen.
48...Tb3 Schwarz hätte es sich sogar erlauben können in die "Falle" zu tappen. Nach 48...Te2 49.Td8 Txe5 50.f4+ Kf5 51.fxe5 Sc7 52.Tc8 Se6 53.Txc6 Kxe5 kann Weiß seinen letzten verbliebenen Bauern nicht halten und muss das Remis im Endspiel T+K gegen S+K akzeptieren. 49.Td8 Sf6 50.Lxf6+ Kxf6 51.Td6+ Ke5 52.Txc6




Und hier geschah etwas Seltsames. Schwarz hätte sowohl mit 52...a5 als auch mit 52...Ta3 Remis halten können- das Endspiel ist sicherlich eine Analyse wert- stattdessen geschah aber 52...Tc3??. Nach 53.Txa6 Txc5 54.Kg4 stellt sich heraus, dass der schwarze König auf der 6. Reihe abgeschnitten ist und der weiße f-Bauer gemütlich zur Dame marschiert. 1-0

Dies war mein 4. Sieg in der 4. Weißpartie und mit 5,5/8 ist das Soll schon mehr als erfüllt. Im schlimmsten Fall bleibt es bei +2. Nichtsdestotrotz werde ich natürlich auch meine letzte Weißpartie auf Gewinn anlegen und schauen, was sich ergibt.

Alle Ergebnisse, Tabellen und Partien zum Nachspielen finden sich auf https://ssl-account.com/sbrp-ergebnisdienst.de/index.php?p1=0:ee:OS-15-8.




Samstag, 2. Januar 2016

Jahresrückblick 2015

Liebe Schafreunde,

ein weiteres Jahr ist Geschichte und ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf das Schachjahr 2015 zurückzublicken. Im Weltschach hat sich Einiges getan, so ist Carlsen bis auf 2834 runtergerasselt und FIDE-Präsident Kirsan "der Immergute" Ilyumzhinov wurde aufgrund politischen Drucks seitens der USA zum Rücktritt gezwungen. Ich gehe davon aus, dass alle Schachsportler, die schon länger in der Branche agieren, eine feste Meinung zu dem werten Herrn haben.


Gefühlte 24 Klassen tiefer dümpelte ich indes auf diversen Opens rum, wo ich alles daran tat, meine Gegnerschaft von meiner Unfähigkeit zu überzeugen. Es war ein recht durchschnittliches Jahr, ohne große Akzente, dennoch gab es ein paar Ausreißer nach oben bzw. unten. Gut begann das Jahr als ich beim Kaiser Open in Bad Ems 8/9 erzielte, dabei 2 IM-Skalps erbeutete, aber leider wie so oft buchholzmäßig glücklos blieb und am Ende nur den 2. Preis ergatterte. Farblos ging es dann beim Neckar Open weiter. In der ersten Turnierhälfte spielte ich noch gut, in der 2. Hälfte dann nur noch Remise und verteilte meine Ratingpunkte quer durch ganz Deutschland. Da dies ein wiederkehrendes Phänomen ist, habe ich konditionelle Defizite in Verdacht, vielleicht werde ich aber auch einfach nur zum Altruist, wer weiß? In Hassloch und beim St.Pauli Open sollte es ähnlichen verlaufen, in beiden Turnieren gingen Punkte flöten. Ein weiterer Misserfolg war die Koblenzer Stadtmeisterschaft, auf der ich abermals Punkte verlor und nicht die angestrebten 7/7 erreichte, wie bei meinen beiden letzten Teilnahmen. Das Jahr beendete ich in Böblingen, wo ich in bester Manier das Turnier mal wieder mit 4 Remisen ausklingen ließ, symptomatisch für das gesamte Schachjahr.


Auch wenn bei Opens der Erfolg ausblieb, punktete ich wenigstens für die Mannschaften. In Belgien stehen in der Saison 2015/16 aktuell 3,5/4 zu Buche (bei 2 IMs und einem FM) , während ich für meine Heimmannschaft bis dato 3/4 erspielte bei einem Gegnerschnitt von knapp über 2300. Diese erfreulichen Ergebnisse führten unter dem Strich zu einer fühlbaren Elosteigerung auf 2340. Bis zum IM ist es trotzdem noch ein weiter Weg. Im Folgenden möchte ich einige interessante Partien aus diesem Jahr präsentieren, sozusagen das Best-of 2015.


Winterberg - Nazarenus, M. (2214)


Beginnen möchte ich mit einer Partie, die beim Böblinger Open gespielt wurde. Mein Gegner, der auf einige Jahre Oberliga und 2.BL zurückblicken kann, ist sicher kein Anfänger, auch wenn er in dieser Partie nicht gut wegkommt.


1.d4 d5 2.Sf3 c6 3.c4 Sf6 4.Sc3 e6 5.e3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.Ld3 dxc4 8.Lxc4 b5 9.Le2!? mein neuester Ansatz, der viel giftiger ist, als man vermuten möchte. Lb7 10. 0-0 0-0 11.e4 e5 12.dxe5 Sxe5 13.Sd4!? das ist die Pointe. Der Schimmel strebt gen f5, mit diesem Zug erklärt sich Weiß bereit dazu einen Bauern für positionelle Kompensation ins Geschäft zu stecken. In der Saison spielte ich bereits so gegen FM Pucher, der hier fast 45min. investierte. Das gesamte weiße Konzept scheint auf Clublevel sehr unbekannt zu sein, obzwar die Idee aus dem Jahr 2013 stammt. Aus unerklärlichen Gründen stieß auch ich erst Mitte 2015 auf diesen Spielansatz. 13...Seg4 14.g3 Selbstverständlich wäre der Rückzug 14.Sf3 lächerlich, während 14.h3 Lh2+ 15.Kh1 Sxf2+ 16.Txf2 Dxd4 dem Schwarzen gutes Spiel einräumt. 14...Lxg3? konsequent gespielt, doch in meinen Augen ein Fehler.   15.hxg3 Dxd4 16.Dd1!



das ist der Schlüsselzug, Schwarz wird der Damentausch aufgezwungen, wonach die positionellen Defizite langsam aber sicher ausgeweidet werden können. Auf den ersten Blick wirkt die schwarze Stellung solide, erweist sich aber bei genauerer Betrachtung als Potemkinsches Dorf. Schwarz wird im Folgenden die Schwächung der schwarzen Felder, die schlechte Bauernstruktur am Damenflügel, den deplatzierten Lb7, sowie die wacklig stehenden Rappen bereuen. Wie bisherige Partien zeigen, kämpft Schwarz trotz Mehrbauer um Remis, ohne selbst über irgendwelche Gewinnchancen zu verfügen. Das schlimmste, das dem Anziehenden passieren kann, wäre ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern, in welchem ein Minusbauer nicht weiter tragisch wäre. 16...Dxd1 17.Tfxd1 Tfe8 FM Pucher setzte hier schwächer mit 17...Se5 fort, was nach 18.f4 zu konkreten Problemen hätte führen können. Stattdessen spielte ich schematisch 18.f3, überspielte ihn langsam, zeigte dann eine schockierend schlechte Technik, musste lange nachsitzen und gewann am Ende glücklich nach 98 Zügen. 18.f3 Se5 19.Le3 Sg6 20.Kf2! ein weiterer Schlüsselzug in diesem System. Schwarz drohte, sich mittels Sd5 zu entlasten. Daher deckt Weiß prophylaktisch den Le3 und unterbindet jedwede Tricks. 20...h5 Es fällt schwer, für Schwarz einen vernünftigen Plan zu finden, daher muss er sich mit zweitklassigen Zügen ohne tieferen Sinn begnügen. 21.a4! die weißen Figuren sind ideal platziert, es wird Zeit aktiv zu werden. 21...b4?! umsichtiger war wohl 21...a6, auch wenn es das Feld b6 abtritt. Schwarz behält eine halbwegs solide Stellung und kann sich zaghafte Hoffnungen auf einen erfolgreichen Widerstand machen. 22.Sb1! dies ist stärker als 22.Sa2, was 22...a5 23.Sc1 c5 mit der Drohung 24...Lxe4 erlauben würde. Die Opferidee auf e4 ist der einzige Trick, auf den der Schwarze bauen kann. 22...c5 23.Sd2 selbstverständlich nicht 23.Lxc5 Lxe4 und Schwarz mischt kräftig mit. 23...h4?! dies kommt Selbstmord gleich, allerdings fällt es bereits schwer, etwas Vernünftiges vorzuschlagen. Der c5 wird nach Tac1 fallen und um Schwarz ist es in jedem Fall schlecht bestellt. 24.gxh4 Der Rest ist Agonie. Tac8 25.Tac1 Te5 26.Sc4 Te6 27.Sd6 Tb8 28.Lxc5 Sh5 29.Lc4 Tf6 30.Sxf7 Sxh4? 31.Sg5+ Kh8 32. Th1 ein bezeichnendes Schlussbild, das alle oben beschriebenen Defizite der schwarzen Stellung in ihrer Gesamtheit erfasst und in gnadenloser, unverblümter Form widergibt.





Als zweites möchte ich eine Partie vom St.Pauli Open vorstellen, die ich gegen eine aufstrebende Spielerin gewann. Nützlich waren dabei die Erkenntnisse, die ich aus GM Gustafssons Videoserie über den Marshall-Angriff ziehen konnte.

WFM Sieber (2122) - Winterberg

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.c3 d5 9.exd5 Sxd5 10.Sxe5 Sxe5 11.Txe5 c6 12.d3 so spielte meine Gegnerin bereits zuvor, daher richtete ich bei der Vorbereitung mein Hauptaugenmerk auf dieses System, welches ambitionierter ist, als es anmuten mag. 12...Ld6 13.Te1 hier zeigt sich der Unterschied zwischen 12.d3 und 12.d4. Stünde der Bauer auf d4, könnte Schwarz nun gut mit 13...Dh4 14.g3 Dh3 15.Te4 g5! vorsetzen, da 16.Lxg5 an Df5 mit Doppelangriff auf Turm und Läufer scheitert. Mit dem Bauern auf d3 jedoch, wäre der Te4 am Ende gedeckt, Schwarz muss sich also etwas Anderes einfallen lassen. 13...Lf5 14.Df3 das ist der Grund, weshalb 12.d3 derzeit so beliebt ist. Häufig erhält Weiß einen mikroskopischen Vorteil im damenlosen Endspiel, in welchem er risikolos auf Gewinn spielen kann. Möglicherweise sind die schwarzen Probleme nicht allzu gravierend, doch haben selbst starke GMs wie Aronian, Caruana oder Adams besagtes Endspiel schon mit Schwarz verloren. Daher ist Vorsicht geboten.  14...Te8!? ein frischer Ansatz, den GM Gustafsson empfiehlt. Er führt zu anderen Stellungstypen und lässt sich offenbar nicht widerlegen. 15.Txe8+ Dxe8 16.Ld2?! dies ist bereits ungenau. Nach 16.Sd2 De1+ 17.Sf1 entstünden indes sehr komplizierte Abspiele, die beiden Seiten viel Präzision abverlangen.
16...De6 17.Sa3 Te8 18.Sc2 Lg4 19.De4 Dd7 20.Dd4 Te5!

Eine sehr starke Idee, für die ich fast 25min. investierte.  21.h3 scheitert nun an 21...Lxh3, 21.f4 Te2 ist sehr unangenehm für Weiß, während Weiß nach 21.Te1 c5 22.Dxe5 Lxe5 23.Txe5 nicht genügend Kompensation für die Dame erhielte. Was also soll Weiß überhaupt gegen die Drohung c5 unternehmen? Die Engine findet eine Rettung, es sollte die letzte Chance für Weiß in dieser Partie sein. Der Silikonkopf zieht unbeeindruckt 21.Se3! und nach 21...Sxe3 22.Lxe3 c5 23.Df4 Th5 schätzte ich die Stellung als klar besser für Schwarz ein, da ich den h2 gratis mitnehme. Die Engine rechnet allerdings weiter. 24.De4 Lxh2+ Kf1 und es zeigt sich, dass die Drohung Da8+ Weiß in der Partie hält. Schwarz hat hier diverse Ansätze, Vorteil sollte allerdings nicht zu holen sein. Am Brett ist diese rettende Idee natürlich nicht leicht mit Weiß zu finden. Meine Gegnerin zog stattdessen 21.f3? Lxf3 22.gxf3 Te2 23.Dg4 Dxg4+ 24.fxg4 Txd2




die Damen sind zwar vom Brett verschwunden, dafür wütet ein Turm auf der zweiten Reihe. 25.Te1 g6 der Bauer h2 ist belanglos, da Weiß ihn ohnehin nicht zu halten vermag. h3 würde in Sf4 laufen.  26.Se3 Sf4 27.Sf1 Sh3+ 28.Kh1 Txb2 29.Te8+ Kg7 30.Te8 Le7 31.Td7 Kf8 32.Ta7 Weiß verteidigt sich gegen die vernichtende Drohung a5-a4 doch es hilft nichts Sf2+ 33.Kg1 Sxd3 34.Txa6 Lc5+ 35.Kh1 Tb1 36.Kg2 Sf4+ 37.Kg3 Txf1 38.Txc6 Se2+ 39.Kg2 Tf2+ 40.Kh3 Le3 0-1 Die Engine hätte nur an 2 Stellen anders forgesetzt, was der Partie objektiv betrachtet einigen Wert verleiht.


Zu guter Letzt möchte ich eine Partie vorstellen, die ich verloren habe. Das Spiel meines Gegners verdient die Auszeichnung hier vorgestellt zu werden.

GM Stupak (2542) - Winterberg

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.g3 c5 4.Sf3 cxd4 5.Sxd4 d5 6.Lg2 ich konnte mich zwar daran erinnern, dass Schwarz hier ganz gut prinzipiell spielen kann mit 6...e5 allerdings war mir das zu unsolide und allzu viel konnte ich auch nicht mehr rekonstruieren. Daher wählte ich einen sichereren Aufbau. 6...Le7 7.cxd5 cxd5 8.0-0 0-0 Ich muss gestehen, dass ich kein großer Fan von solchen Isolanistrukturen bin, meine Ergebnisse sind auch ziemlich schlecht. Objektiv sollte Weiß etwas Vorteil haben, da er Druck ausübt, während ich etwas passiv stehe. 9.Sc3 Sc6 10.Lf4 Le6 11.Tc1 Dd7 12.Sxe6 fxe6 13.Lh3 Sh5!?




Eine unerwartete Reaktion, davon beseelt den Läufer auf ein schlechteres Feld zu treiben. 14.e3! richtig gespielt, den Läufer kann Weiß entbehren, da er die halboffene e-Linie für seine Schwerfiguren erhielte. 14...Sxf4?! vernünftiger war wohl 14...g6, was die Spannung aufrecht erhält, auch wenn Weiß nach wie vor mehr vom Spiel behält. 15.exf4 Lf6 16.Te1 Tae8






Hier entkorkte mein Gegner ein taktisches Feuerwerk! Diejenigen, die selbst knobeln wollen, sollten hier innehalten und nicht weiterlesen.







17.Sxd5! Dxd5 18.Lxe6+ Dxe6 19.Txe6 20.Dd5 Sd4 21.f5 Td8 was nun? Hat sich Weiß verdribbelt? Ich war tatsächlich naiv genug das zu glauben, da 22.Dc4 nun in 22...b5 -/+ läuft. Allerdings währte meine Freude nicht lange, denn mein Gegner knallte augenblicklich 22.Tc8!! aufs Brett.




 Zunächst verstand ich das Problem nicht und nahm optimistisch auf c8. 22...Txc8 23.fxe6 und hier dämmerte es mir langsam. Es droht 24.e7+ nebst Df7 und der weiße Bauer promoviert. 23...Td8 hilft nicht wegen 24.e7 Txd5 25.e8=D#, 23...Kf8 scheitert indes an 24.Dd7 mit der unabwendbaren Drohung Df7#, während 23...Kh8 wiederum an 24.Dd7 nebst e7 scheitert. Eine großartige Stellungsbewertung meines Gegners. Nicht nur, dass er 22.Tc8!! gefunden hat, er hat die Konsequenzen auch richtig eingeschätzt. Schwarz ist verloren.  23...Sc6 was sonst? 24.Dd7 Tb8 25.b4! a6 26.a4 h6 27.Dc7 Ld8 mir ist es nicht gelungen, den Bauern e6 dingfest zu machen, die weiße Dame dominiert und setzt nun zum finalen Schlag an.  28.Df7+ Kh7 29.b5 axb5 30.axb5 Se7 31.Df4! Tc8 32.De4+ 1-0







Eine starke Vorführung meines Gegners!



 Abschließen möchte ich diesen Artikel mit der "Gurke des Jahres":

Winterberg - Vöge,T. (2171)





Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich schon grausig gespielt, mit De7+ wäre es nun an der Zeit gewesen das Remis zu forcieren. Stattdessen folgte 25.Dg6+?! Kf8 es bot sich die erneute Chance mit 26.Dd6+ die Friedensverhandlungen einzuleiten. Was ich stattdessen spielte bewog mich zu ausdauerndem Kopfschütteln. 26.Sxd4??? mit der Idee gespielt, nach Dh2+ Kf3 zu ziehen und sogar Vorteil zu behalten. Was mir entging war das simple 26...e4!, was die dämliche Stellung der Dg6 unterstreicht. Ich verfüge nicht über ein einziges Schachgebot. Es folgte noch 27.Th1 Dxf2+ 28.Kh3 Se3+ 29.Se6+ Lxe6+ mit Matt.


Allen Lesern wünsche ich ein erfolgreiches Jahr 2016 auf und abseits des Schachbretts!

Freitag, 2. Januar 2015

Ein denkwürdiger Jahresabschluss

Werte Schachfreundinnen und Schachfreunde,
das neue Jahr ist noch jung und ich möchte die Gelegenheit nutzen, einen Rückblick auf das vergangene Jahr zu werfen.
Was passierte so alles in der Schachwelt? Zunächst einmal verteidigte Carlsen in einem spannenden WM-Match seinen Titel gegen den Tiger aus Madras, Vishy Anand, der seinen Biss wiedererlangt hat. Außerdem profitierte die deutsche Herrenmannschaft vom Verbandswechsel Nisipeanus, der seit 2014 für den DSB spielt. Auch regeltechnisch brachte 2014 einige Neuerungen. Der kontroverse Handy-Paragraph dürfte jedem ein Begriff sein, inzwischen wurde die Regel wieder gelockert. Neu hinzu kam eine Regelung bzgl. der 50-Züge-Regel. Ab sofort kann eine Partie weitergespielt werden, sollte keine der Parteien reklamieren. Bei dem 75. Zug ohne Schlagfolge, ist der Schiedsrichter jedoch verpflichtet die Partie auch ohne Reklamation seitens der Spieler Remis zu geben.
Auch ratingtechnisch gibt es eine Neuerung. Die bisherige Verteilung der k-faktoren bei der Elorechnung (k-faktor 5 bei >2400 Elo, k-faktor 15 bei <2400 Elo und k-faktor 25 bei <30 Wetrungspartien) wurde dahingehend verändert, als dass der k-faktor 15 auf 20 angehoben wurde und es zudem einen "Jugendbonus" gibt, der bei U18-Spielern den k-faktor auf 40 ansetzt. Meiner Meinung nach ist das schlichtweg Nonsens und begünstigt die Ratinginflation, was anhand des Beispiels von Parziv Gasimov zu sehen ist. Es kann nicht sein, dass ein Spieler durch mittelmäßiges Spiel 550 Punkte in ein paar Monaten zulegt, weil er die Punkte förmlich hinterher geschmissen bekommt.

Für meinen Heimatverein brachte das Jahr 2014 den Aufstieg in die Oberliga SW, in der wir uns bis dato gut verkaufen.

Im Turnierschach lief es bei mir abgesehen von der Neuwieder- und der Koblenzer Stadtmeisterschaft, die ich beide gewann, sehr dürftig. Ich brachte es gar zuwege 44 Elopunkte und 75 DWZ-Punkte einzubüßen. Daher war ich bestrebt, das Jahr mit einem positiven Ergebnis ausklingen zu lassen und noch ein, zwei Titelträger- Skalps zu erbeuten und meldete mich in diesem Sinne beim Böblinger Open an. An Platz 34 gesetzt, rechnete ich mir keine Chancen auf einen Preisrang aus und hatte auch keine Ambitionen, außer das Rating anzuheben. Mit einem Plus von 15-20 Punkten wäre ich sehr zufrieden gewesen, doch es sollte ganz anders kommen...

Das Turnier wurde von Youngsters beherrscht. Es gab zahlreiche talentierte Jugendspieler und einige juvenile Titelträger. Auch im Endklassement spiegelte sich die Dominanz der Jugend wider. Es gewann ein 21-jähriger IM, vor einem 16-jährigen IM, der seine 4.GM-Norm erspielte.

 In den ersten beiden Runden bezwang ich meine jungen Gegner sehr souverän und hatte das Gefühl gut in Form zu sein. Mit einem soliden Schwarzremis gegen IM Fedorovsky (2421/2444) bestätigte sich diese Einschätzung. Dann kam Runde 4, in der ich zum ersten großen Schlag ausholte. Mit einer sehr guten Eröffunungsvorbereitung, einer tiefen Analyse von GM Huschenbeth, schaffte ich es in gerade mal 21 Zügen, einen sehr erfahrenen Französisch-Spieler im Angriff zu besiegen und dabei nicht mal 30 Minuten zu verbrauchen. Chapeau, Niclas! ;)


Das ist die Schlüsselstellung der Partie. Mein Gegner entschied sich nach langem Nachdenken, den c-Bauern nicht kampflos abzutreten und spielte 16...b5??, was die Partie auf der Stelle verliert. Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass Weiß auch nach anderen Zügen eine sehr angenehme Stellung mit guten Angriffschancen  behält.  17.Lxh7+ Kxh7 18.Sg5+ Kg8 19.Th4 droht Th8 mit Matt. 19...Lxg5 forciert 20.Dxg5 und nun spielte mein Gegner statt 20...f5, was zwar auch verliert, aber zumindest nicht Matt geht, den Zug 20...Sd5. An dieser Stelle endete meine Vorbereitung, doch brauchte ich nur 5 min., um den sofortigen Knockout zu diagnostizieren. 21.Lf6! 1-0


Da Schwarz der Möglichkeit beraubt wurde, seinen Monarchen mittels f5 über f7 zu evakuieren, wird in Kürze matt auf der h-Linie erfolgen. Schwarz gab auf.

Auch wenn diese Partie mangels Eigenleistung keinen Anlass zu übermäßiger Freude bietet, machte es doch unheimlich Spaß einen derartig überzeugenden Vorbereitungssieg zu genießen.

Dann kam Runde 5, meine einzige Verlustpartie. Gegen den starken 17-jährigen IM Lampert, wurde ich in der Eröffnung überrascht. Zwar konnte ich mich unter erheblicher Zeitinvestition an die Theorie erinnern, doch zeigte ich in dem scharfen Endspiel, in dem ich einen Läufer für 3 Bauern besaß, wenig Verständnis, und ließ mich gekonnt überspielen. Ein starker Vortrag meines junges Gegners!

In Runde 6 spielte ich dann die schlechteste Partie. Gegen einen anderen jungen Gegner (DWZ 2119) glänzte ich mit theoretischer Unkenntnis und wäre um ein Haar nicht heil davongekommen. Zum Glück ging es noch mal gut und ich versuchte selbst auf Gewinn zu spielen. Zwar erlaubte mir mein Gegner meine Stellung peu à peu zu verbessern, doch konnte ich seinem Ausgleichsplan nichts entgegensetzen. Am Ende stand das Remis.

Runde 7 war die interessanteste in diesem Turnier und ich möchte sie im Ganzen vorstellen:

Winterberg - IM Smirnov, A. (2446)
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 das kam bereits überraschend. Mein Gegner ist ein Verfechter von dem eigenwilligen System 2...d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Ld7!? von dem ich absolut keine Ahnung habe. Nach 2...Sc6 kam mir die Idee ihn geschickt in ein System reinzutricksen, von dem ich annahm, dass er sich nicht auskennt...ein Trugschluss! 3.c3 Sf6 4.e5 Sd5 5.Lc4!? dies analysierte ich vor ca. einem Jahr und konnte mich im Großen und Ganzen noch an die Analysen Tiviakovs erinnern. Da mein Gegner normalerweise mit d6 statt mit Sc6 spielt, dachte ich, ich könne ihn mit diesem Zug aus seinen Varianten holen. 5...Sb6 6.Lb3 c4 7.Lc2 d6 8.exd6 Lg4!? dieser Zug traf mich wie ein Blitz, er begegnete mir noch nie zuvor. Ich investierte ca. 20 Minuten und konnte keinen Vorteil nach 9.d4 oder 9.b3 finden. Also entschied ich mich dazu prinzipiell zu spielen. 9.h3 Lh5 10.dxe7!? (objektiv trifft es ?! wohl eher) 10...Dxe7+ 11.De2 Lxf3 12.gxf3 0-0-0 13.Dxe7 Lxe7 14.b3 selbstverständlich muss Weiß den gordischen Knoten schnellstmöglich zerschlagen und dann d4 folgen lassen. Die Stellung ist hochinteressant.



14...The8 15.Kf1 dies macht mehr Sinn als die kurze Rochade, da der wK das Einbruchsfeld e2 überdeckt. Des Weiteren ist der König auf g1 anfällig für Turmschachs und f3 hängt in manchen Varianten mit Schach. 15...Se5 Schwarz entfaltet eine enorme Aktivität, die selbstverständlich den geopferten Bauern aufwiegen sollte, doch Weiß droht immer noch mit bxc4 nebst d4. So habe ich es auch kommen sehen, mein Plan sah vor, im Endspiel auf das Läuferpaar zu pochen. Ich sah nicht, was Schwarz gegen den einfachen Plan bxc4 nebst d4 erfinden könnte. 16. bxc4 Sd3! sehr interessant gespielt. Der Springer plombiert das Feld d3 und hindert mich an der Entwicklung des gesamten Damenflügels. Natürlich kann ich den Rappen dort nicht dulden. 17.Lxd3 Txd3 18.Ke2 Ted8 19.Tg1! das war die Idee! Weiß attackiert mit Tempo den schwarzen Bauern auf g7 und droht außerdem Tg3 gefolgt von f4. Sollte Schwarz beispielsweise 19...g6 ziehen, so behielte Weiß nach 20.Tg3 Sxc4 21.f4 einen Mehrbauern. Weicht der Turm von d3 zurück, kommt Weiß erneut zu d4 und im Falle von Txg3 saniert Weiß seine Bauernstruktur und behält einen gesunden Mehrbauern. An dieser Stelle dachte ich, dass Weiß Vorteil hat.  19...g5! sehr stark gespielt!


Weiß hat nun keine große Auswahl, die nächste Partiephase verläuft forciert.
20.Tg3 Sxc4 21.f4 Txg3 22.fxg3 gxf4 und hier dämmerte es mir. Nach Tg8 werde ich große Probleme haben, meine Figuren sind einfach zu passiv, während ich meine einzige gute Figur soeben abgetauscht habe. 23.gxf4 es ist bedeutend festzustellen, dass 23.d3 an 23...f3+ -+ scheitert.
23...Tg8 24.Kd3 erzwungen, da 24.d3 Tg2+ 25.Kd1 Sb6 ob der weißen Unterentwicklung kaum in Frage kommt.  24...Tg1 25.Kc2 Th1 26.d3 Th2+ 27.Sd2 Se3+ 28.Kb3 Sd5 29.Se4 Txh3 der weiße Mehrbauer ist Geschichte, die Probleme jedoch bestehen fort. Weiß steht ein harter Kampf um Remis bevor.  30.Ld2! nur diesem Zug ist es zu verdanken, dass ich die Partie nicht verloren habe. Weiß investiert einen Bauern, um in ein remisliches Endspiel abzuwickeln. Andere Züge sind erheblich schwächer, der Bauer d3 ist ohnehin nicht zu retten.  30...f5 natürlich verbietet sich 30...Txd3 wegen 31.Kc4+/-  31.Sg5 Th2  ich brauchte einige Zeit um in der Vorausberechnung zu realisieren, dass ich auf 31...Txd3 32.Kc2 spielen kann, wenn nach 32...Tg3 33.Th1 Weiß außer Verlustgefahr ist.
32.Td1 Ld6 33.Se6 Kd7 34.Sd4 Lxf4 35.Lxf4 Sxf4 36.Sxf5 h5 37.Tf1 Se2 38.Kc4 h4 39.Sd4 Sxd4 40.Kxd4 h3 41.Tf7+ und hier ging ich davon aus, dass er friedlich hin-und herpendelt. Doch mein Gegner spielt es weiter auf Gewinn und hätte es fast geschafft... 41...Ke6!?


42. Txb7?! ich überschätzte die Kraft meiner verbundenen Freibauern. Vernünftiger wäre es gewesen, mit 42.Tf3! den Remishafen anzusteuern. Nach 42...Th1 43.c4 h2 44.Tf2 b6 45.a4 a5 46.Tb2 Kf5 47.Kd5 Kg4 48.d4 hält sich Weiß mühelos. In der Partie wandelt Weiß am Abgrund.

42...Txa2 43.Th7 h2 44.c4 Kf5 und bei knapp werdender Bedenkzeit produzierte ich 45.Kc5?? was sofort verliert. Remis könnte Weiß mit 45.c5 halten. Das Endspiel ist kompliziert, und ich rege den Leser dazu an, etwas auf eigene Faust zu analysieren. Als Anregung gebe ich zu bedenken, dass der schwarze a-Bauer durchaus eine Gefahr ist und Schwarz immer mit Manövern wie Tf2-Tf4-Th4 droht. 45...Kg4? geht an der großen Chance vorbei. Das kontraintuitive 45...Kg6 46.Th3 Ta5+ 47.Kb4 Th5 gewann auf der Stelle. In dieser Variante übersah ich den zuvor erwähnten Turmschwenk, da Kg6 sehr paradox erscheint. 46.Kb5 Kg3 47.c5? erneut ein Fehler, nur 47.Tg7+ versprach Remischancen.47...a5?? und das vergeigt es endgültig. In der Sekunde, als ich den Bauern auf c5 losließ, fiel mir ein, dass ich vergaß das Schach auf g7 zu geben. Schwarz konnte einfach mit 47...Ta1 gewinnen, wenn Weiß nach 48.d4 h1=D 49.Txh1 Txh1 50.d5 Kf4 51.Ka6 Th7 52.d6 Ke5 ein Tempo zu langsam ist. 48.Tg7+ Kf3 49.Th7 Kg2 50.Tg7+ Kf2 51.Th7 Kg1 52.Tg7+ Kf2 53.Th7 Kg1 54.Tg7+ Kf2 ½–½

Eine packende Partie auf hohem Niveau, leider haben die beiderseitigen Patzer in Zeitnot die gut gespielte Partie in gewisser Weise verdorben. Trotzdem hat es Spaß gemacht, vor allem weil der Gegner sehr kreativ war.

In Runde 8 gewann ich in nur 25 Zügen gegen einen IM mit Schwarz im Halbslawen. Da dies aber vielmehr auf sein katastrophales Spiel, als auf meinen Verdienst zurückzuführen ist, verdient diese Partie keine Beachtung.

Mein Meisterstück lieferte ich dann in Runde 9 ab. Es war der 6. IM in der 9. Partie. Ich spielte zuvor schon einmal gegen ihn. Auch in der letzten Runde, auch mit Weiß, auch im Alapin. Um den Turniersieg und 800 Euro zu sichern, spielte ich damals sicher, wollte wenig riskieren, und sicherte mir mit einem Remis den 1. Platz. Dieses Mal war ich allerdings in kämpferischer Stimmung und gewann in großem Stil:

Winterberg - IM Gschnitzer, O. (2407)
1. e4 c5 2. c3 Sf6 3. e5 Sd5 4. d4 cxd4 5. Sf3 e6 6. cxd4 d6 7. Lc4 Sc6 8. O-O
Le7 9. De2 O-O 10. Sc3 Sxc3 11. bxc3 dxe5 12. dxe5 b6 13. De4 Lb7 14. Ld3 g6
15. Lh6 Te8 16. Tad1 Dc7 17. Df4 soweit die Theorie,die weiße Spielweise ist im Prinzip sehr riskant, da jedes Endspiel hoffnungslos verloren ist. Weiß sucht seine Chancen im direkten Königsangriff. Schwarz hat zwar gute Chancen, allerdings ist es eine schwierig zu spielende Stellung und der weiße Angriff ist gefährlich. Das ist nicht nach jedermanns Gusto, was erklärt, warum Schwarz in der Regel zu 12...Da5 statt 12...b6 greift. 17...f6?? Das ist nicht nur positionell ein schrecklicher Zug, er lockert zudem auch noch, die ohnehin bereits geschwächte schwarze Königsstellung noch weiter. 18. Dc4! nach längerer Überlegung gespielt und sehr stark. Schwarz hat große Probleme. 18...Dc8? und das verliert bereits forciert. Den Rest der Partie spielte ich sehr streng. 19. exf6 Lxf6 20. Df4! Lg7 21.Sg5




21...Te7 erzwungen, da nach 21...Tf8 22. Dh4 Lxh6 23.Dxh6 Dc7 an 24.Sxe6 scheitert.  22. Lxg7 Kxg7 23. Tfe1 droht mit 24.Txe6 die sofortige Entscheidung herbeizuführen. e5 24. Dh4 Dh8 am zähesten, da 24...h6 an 25.Lxg6 scheitern würde. 25. Lc4 h6 26. Se6+ Kh7 27. Te3 es droht Dxh6+ Kxh6 Th3#









27...h5 28. Tg3 mit der Drohung 29.Dxh5+ gxh5 30.Ld3+ Kh6 31.Tg6+ Kh7 32.Sg5#   28...De8 29. Df6 Kh6 30. Sf8 totale Zerstörung! 1-0
Als ich im Begriff war das Brett zu verlassen, fing mich der Schiedsrichter ab, um mich darüber in Kenntnis zu setzen, eine IM-Norm erzielt zu haben. Das hatte ich eigentlich bereits abgehakt, umso überraschter und erfreuter war ich, dass es geklappt hat. Mit 3 IM- Skalps und für meine Verhältnisse sehr gutem Schach, einer Norm, dem 9. Platz und einem DWZ-und Eloplus von fast 50 Punkten, bin ich mehr als zufrieden. Ein denkwürdiger Abschluss des Jahres 2014, das, in Anbetracht dieses Turnieres doch gut lief.

Allen Lesern ein gutes und erfolgreiches Jahr 2015!










Sonntag, 31. August 2014

SVDB Schachfestival 2014

Hallo Schachfreunde,
während Caruana die Weltspitze derzeit kräftig aufwirbelt, versuchte ich mich an meinem 1. IM- Normenturnier in Eupen. Es handelt sich dabei um ein Rundenturnier mit 10 Teilnehmern unter der Leitung des International Arbiter (IA) Sylvin de Vet. Das Turnier an sich war eine tolle Erfahrung und es hat Spaß gemacht, durchgängig gegen Gegner zu spielen, die mindestens so stark sind wie ich selbst. Mit der Norm hat es zwar nicht ganz geklappt, und auch das Endergebnis von -2 sieht ziemlich schlecht aus, doch spiegelt das den Turnierverlauf, sowie die guten Stellungen, die ich hatte, nicht wirklich wider. Die Rahmenbedingungen waren leider nicht ideal. Die Unterkunft bestand in einem der ältesten Häuser Eupens, mit sehr steilen und schmalen Treppen und keinem TV-Gerät auf dem Zimmer. Bei nur einer Partie am Tag und demnach ca. 17 Std., in denen man auf dem Zimmer verweilt, ist das sehr unvorteilhaft. Auch der Weg zur Turnierhalle (1km. steil bergauf) war beschwerlich und so schleppte ich mich oft mit letzter Kraft 25min. vor Spielbeginn in die Turnierhalle. Bei Rundenbeginn war ich dann jedoch wieder voll auf der Höhe, sodass der Gewaltmarsch keinen Einfluss auf das Spielgeschehen nahm. Die Räumlichkeiten des SK Rochade Eupen-Kelmis sind sehr schön. An den Wänden hängen zahllose Trophäen, Urkunden und Schenkungen von Partnervereinen. Der Spielsaal war geräumig, die Atmosphäre gut und alles in allem wirkte das Turnier sehr familiär. Dennoch wurde sich an den Brettern nichts geschenkt und es wurde hart gekämpft. Am Ende gelang 3 Teilnehmern eine IM-Norm: M. Coenen (2294), FM A. Kalka (2373) und FM P. Hopman (2387). Gratulation dazu! Ich hatte das drittniedrigste Startrating und mein Primärziel war es, 50% oder mehr der Punkte zu holen. Am Ende waren es nur 3,5 jedoch hätten es auch locker 5,5 sein können. Einen unnötigen Verlust gab es bereits in Runde 1 zu beklagen. Nachdem mein Gegner mich bereits mit 3.Lc4 aus der Vorbereitung warf, setzte er im Folgenden mit 6.Lg5 7.Lxf6 fort, was auf mich einen ungesunden Eindruck macht. Nur Schwarz kann auf Vorteil spielen. Trotzdem investierte ich eine Menge Bedenkzeit, die mir später bei taktischen Verwicklungen fehlte.

Coenen,M. (2294) - Winterberg:
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.0–0 Sf6 5.d3 a6 6.Lg5 h6 7.Lxf6 Dxf6 8.Sc3 d6 9.Sd5 Dd8 10.c3 La7 11.b4 0–0 12.a4 Se7 13.Se3 c6 14.Lb3 Sg6 15.d4 Df6 16.Te1 Sf4 17.g3 exd4 18.cxd4 Sh3+ 19.Kg2 Te8 20.e5 dxe5 21.dxe5 De7 22.Dc2 Dxb4 23.e6 Txe6 24.Lxe6 Lxe6 25.Tab1 De7 26.Db2 Tb8 27.Sd4 Sg5 28.Sdf5 Df8 29.De5 g6 30.h4 Sh7 31.Sd4 Te8 32.Sxe6 Txe6 33.Dc3 b5 34.Sg4 Td6 35.De5 Td2 36.Df4 Dd6 37.Te8+ Sf8 38.Sxh6+ Kg7 39.Dxf7+ Kxh6 40.Dxa7 Df6 41.De3+ 1–0


In Runde 2 hatte ich wieder Schwarz. Dieses Mal lief es allerdings besser:
                                                   IM Vandevoort (2390) - Winterberg
1.Sf3 Sf6 2.g3 Obwohl erst 2 Züge gespielt sind, war meine intensive Vorbereitung schon hier für die Katz... 2...e6 3.Lg2 d5 4.00 Le7 5.d4 b6 6.c4 c6 inspiriert von GM Kovalyov, dem ich in dieser Variante mit Weiß in etlichen Partien nicht ein einziges Remis abtrotzen konnte. Dies war das 5. Mal, dass ich dieses System anwandte. Gegen starke Gegnerschaft (2 FMs, 2GMs) standen bis zu dieser Partie 3 Remise und 1 Verlust. 7.Sc3 0-0 8.Se5 Lb7 9.e4 dxc4 ich folge meiner eigenen Partie, die ich im Oktober 2013 gegen FM Schild spielte. Nach der Eröffnung stand ich sehr passabel, dass ich dann allerdings fehlgriff und für den Rest der Partie leiden musste, bevor wir am Ende versöhnlich den Remishafen anschipperten, ist auf mein schlechtes Spiel zurückzuführen. 10.a4 Sbd7 11.Sxc4 La6 12.b3 Lxc4 13.bxc4 e5! ansonsten wäre das schwarze Konzept völig verfehlt. 14.d5 cxd5 15.exd5!?N mein Gegner spielte es ad hoc und ehrlich gesagt, zog ich exd5 nie ernsthaft in Betracht. c4 ist für den Rest der Partie schwach. Leider ist die Sache nicht so klar. Der weiße Ansatz mit exd5 ist sehr konkret und fußt auf der Idee d6 nebst Sb5 zu spielen.


Schwarz hat hier eigentlich nur 3 Kandidatenzüge: a) 15...Ld6 b) 15...Lc5 und c)15...Lb4
Schnell verwerfen lässt sich das passive Ld6, da Weiß nach 16.Sb5 quasi schon eine Gewinnstellung hat. Was der Läufer auf b4 zu suchen hat, war mir indes nicht klar. So entschied ich mich für den Partiezug 15...Lc5. Es folgte: 16.d6 und nun muss Schwarz bereit sein, die Qualität zu geben. 16...Ld4! 17.Ta3? wieder sehr schnell gespielt. Viel besser wäre es gewesen, sich auf a8 zu bedienen. Nach 17.Lxa8 Dxa8 18.Lb2 Dc6 19.De2 a6 schätzte ich die Lage als unklar ein. Für die Qualität wird Schwarz den Bauern d6 gewinnen, während c4 weiterhin schwach ist. Meister Houdini sieht Weiß aber klar am Ruder. Wenn das das beste ist, was Schwarz nach 15.exd5!?N aus der Stellung rausholen kann, steht die ganze Idee mit La6 nebst Lxc4 unter keinem guten Stern. Der Partiezug 17. Ta3? vergibt den Vorteil 17...Tc8 18.Sb5 Txc4 und nun fing mein Gegner endlich an zu denken, reichlich spät, wenn man bedenkt, dass Weiß bereits um Ausgleich kämpft. 19.De2 Dc8 20.Sxa7? besser war 20.Sc7, wonach der schwarze Vorteil im Rahmen bleibt.  20...Dc5 21.Lg5?? krönt das schlechte Spiel mit einem plumpen Einsteller. 21...Tc2 22.Dd3 e4 23.Lxe4 Sxe4 24.Dxe4 Lxf2+ 25.Kh1 Dxa3 0-1
Ein gelungenes Schlussbild!




In Runde 3 vergaß ich im 18. Zug die theoretische Empfehlung und hätte vielleicht besser daran getan, Remis durch Zugwiederholung zu forcieren. Ich wollte gewinnen, doch das ging nach hinten los. Eine gute Darbietung von IM Braun, der am Ende mit 6,5/9 ganz oben in der Tabelle zu finden war!
                                       
Winterberg - IM Braun (2360)
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.f4 c5 6.Sf3 Sc6 7.Le3 cxd4 8.Sxd4 Db6 9.Dd2 Dxb2 10.Tb1 Da3 11.Lb5 Sxd4 12.Lxd4 a6 13.Lxd7+ Lxd7 14.Tb3 De7 15.Txb7 Dd8 16.Lb6 Dc8 17.Tc7 Dd8 18.Df2 Tc8 19.Txc8 Dxc8 20.Dd4 Dc6 21.f5 La3 22.Sb1 Le7 23.f6 gxf6 24.exf6 Ld6 25.0–0 e5 26.Db2 Db5 27.Dxb5 Lxb5 28.Td1 Lc6 29.Sc3 d4 30.Se2 Kd7 31.c3 La4 32.Td2 Kc6 33.La5 Kb5 34.cxd4 Kxa5 35.dxe5 Lc5+ 36.Kf1 Te8 37.Td5 Kb6 38.Sc3 Lc6 0-1



Runde 4 brachte die dritte Schwarzpartie, auch der Tag war ziemlich schwarz. In 8 Partien kam ich gut aus der Eröffnung raus, in Runde 4 war das Eröffnungsergebnis desaströs und ich verlor mehr als verdient gegen FM Marcziter (2235), der am Ende 4/9 erreichte und ein gutes Turnier spielte. Die Schlusskombination ist sehenswert:
                                   FM Marcziter (2235) - Winterberg
Stellung nach 25...Sf8

Weiß gewann mit 26.Txf6! Kxf6 27.Ld4+! Ke7 28.Te1+ Kd7 29.d6 Db8 30.Te7+ Kxd6 31.Txb7 Dxb7 32.Le5+ 1-0

Der Start mit 1/4 war alles andere als zufriedenstellend und um ein Debakel zu verhindern, mussten dringend Punkte her. In Runde 5 kam selbstverständlich wieder nicht meine Vorbereitung aufs Brett, was lediglich in Runde 8 der Fall war, dennoch lief es sehr gut. Mein Gegner FM Meessen (2278), der Kapitän der belgischen Herrenmannschaft in Tromsö,  wollte mich mit einer Eröffnung überraschen, die er noch nie zuvor spielte, und erleidete schnell Schiffsbruch.

                                            Winterberg - FM Meessen (2278)
1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 Dd8 meine praktischen Erfahrungen mit dieser Antiquität basieren lediglich auf einer Partie, welcher im Übrigen ein eigener Thread gewidmet wurde (Threadtitel: "Entscheidung im 5. Zug?!") 4.Lc4 Sf6 5.Sf3 Sc6 Schwarz will es wissen 6.d4 Lg4 7.d5 Se5?? ein unglaublicher Patzer 8.Sxe5


 Lxd1 9.Lb5+ c6 10.dxc6 Lg4 11.Sxg4! am kaltblütigsten bxc6 12.Lxc6+ Sd7 13.Se5 Dc7 14.Lxd7+ Kd8 15.Lf4 Db7 16.0–0–0 Kc7 17.Sb5+ Kb6 18.Sc4+ Kc5 die abschließende Hatz verdient ein weiteres Diagramm


19.Le3+ Kxc4 20.Td4+ Kc5 21.b4+ Kb6 22.Td6# 1–0
FM Rudolf Meessen erwischte ein schreckliches Turnier und musste sich bei einer Bilanz von (+1/=0/-8) mit dem letzten Tabellenplatz begnügen.


Nach diesem Geschenk kam wieder ein dicker Brocken: FM Pieter Hopman, der laut eigener Aussage inoffiziell bereits ein Rating von ca. 2422 hat. Ich war wie in diesem Turnier üblich auf die falsche Variante vorbereitet und musste mit eigenem Kopf denken. Da ich 4/4 brauchte, um eine Norm zu schaffen, war Remis keine Option, weshalb ich lasche, remisträchtige Varianten, die sich in der Eröffunung ergaben, ausschlug, und versuchte in einem komplizierten, zweischneidigen Mittelspiel, als Sieger vom Feld zu gehen. Leider ging der Schuss nach hinten los und nach einem langen, zähen Kampf blieb mir nichts weiter übrig, als die Hand zu reichen.

                                          FM Hopman (2387) - Winterberg
 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.g3 Lb4+ 4.Ld2 Le7 verglichen mit der Partie gegen Vandevoort stellt diese Zugfolge eine kleine Feinheit dar, da der weiße Läufer auf d2 schlecht steht...5.Lg2 d5 6.Sf3 b6 7.Sc3 c6 8.Lg5...was Weiß in der Regel durch Lf4 Sh5 Lc1 korrigiert. Anschließend wird der Läufer dann mittels b3 und Lb2 fianchettiert. 8.Lg5 trägt eigenen Charakter, stellt Schwarz aber vor keinerlei Probleme. 0–0 9.0–0 Lb7 10.Se5 Sbd7 11.cxd5 cxd5 12.Sd3 Tc8 13.f3 b5 Schwarz hat gutes Spiel und träumt von einer Initiative am Damenflügel 14.Le3 b4 15.Sa4 Da5?! eine schlechte Wahl. Ich war mir nicht sicher, ob Lc6 oder der Partiezug vorzuziehen war. Die Engine lässt da keine Fragen offen. Besser war 15...Lc6! wonach Schwarz gut steht. Man sehe z.B. 16.Sac5 Lb5 17.Tc1 Sxc5 18.Sxc5 Sd7 von weißer Initiative ist weit und breit nichts zu sehen. 16.b3 Lc6 17.Sab2 Se8!? beseelt von der Idee mittels Sc7-b5 einen Springer auf c3 zu installieren. 18.Dd2 Db6 19.Lf2 a5 20.e4 Sc7 21.e5 Lb5 22.h4 f5?! besser war es vermutlich sofort auf d3 zu schlagen. Nach 22...Lxd3 23.Dxd3 Sb5 24.Sa4 Dc6 mit der Idee Sb6 gelingt die schwarze Infiltration. 23.Tfc1 Lxd3 24.Dxd3! das hatte ich unterschätzt.Weiß droht mit Lf1, was die Bankrotterklärung meines Planes bedeuten würde. Schwarz muss nun nolens volens Sb5 ziehen, was zu einer sehr unerfreulichen Stellung führt. 24...Sb5 25.Sa4 Db7 26.Lf1 Sa3 27.Da6 Dxa6 28.Lxa6 Ta8 29.Tc6? auch Weiß strauchelt. Zu spät sah ich Tc7, wonach Schwarz auf Verlust steht, er kann sich nicht bewegen, während die weißen Türme wie Orkane im schwarzen Hinterland wüten. Tc6 basiert auf einem taktischen Schwindel, erlaubt Schwarz aber Erleichterung. 29...Kf7 Es galt zu erkennen, dass 29...Sb8 nicht etwa eine Figur gewinnt, sondern einem taktischen Trick zum Opfer fällt, der die Partie zu weißen Gunsten entscheidet. 30.Txe6 Kf7 31.Lb7 nebst 32.Lxd5 und Weiß hat sich 2 Bauern eingeheimst. 30.Ld3 Tfc8 31.Tac1 Txc6 32.Txc6 Ld8 33.Le3 Ta7 der einzige vernünftige Plan. Was sonst? 34.Tc8 Lc7 35.Kf2 Sb6 von diesem Zug und der damit verbundenen Bewertung des nachfolgenden Endspiels hängt die Stellungsbewertung ab. Es gab keine Alternativen, Schwarz muss im Endspiel S+L gegen Turm nach Rettung suchen. 36.Txc7+ Txc7 37.Sxb6 Sc2 38.Sa4 Sxe3 39.Kxe3 Tc1 40.Sc5 Ke7 41.La6 Te1+ 42.Kf4 Td1!


schlau gespielt, wenn Weiß auf Gewinn spielen will, muss er ein Risiko eingehen, nämlich den Bauern a2 mit Schach abtreten. Ängstliche Spieler müssen sich mit Remis nach Te1-d1-e1-d1 begnügen.  43.Ke3 Te1+ 44.Kd3 Tf1 45.Ke2 Ta1 46.Lc8 Txa2+ 47.Kd3 Tf2 48.Lxe6 Txf3+ 49.Ke2 Txg3 50.Lxf5? unverständlich. Nicht nur die Ästhetik, sondern auch der gesunde Menschenverstand sprach für Lxd5, wenn Weiß sich durchsetzen sollte.  Tg2+ 51.Ke3 Th2 Schwarz wehrt sich nach Leibeskräften, der Turm entfaltet eine enorme Aktivität, Weiß muss auf der Hut sein 52.Le6 Weiß ist auf der Höhe. Nach 52.Lxh7?! Th3+! ein wichtiges Zwischenschach 53.Ke3 Txh4 54.Lg8 Txd4 55.Kd3 Td1 wäre das Remis unausweichlich 52...a4! genau so. Schwarz nutzt die schlechte Koordination des Anziehenden aus. Man beachte wie Schwarz sich durch aktives Spiel am Leben hält. Der Turm bereitet dem Weißen große praktische Probleme.


 53.bxa4 b3 54.Lxd5 b2 55.La2 Th3+?? ein totaler Blackout, der Schwarz um die Früchte seiner Verteidigungsarbeit bringt. Ursprünglich war natürlich 55...Th1 56.d5 Ta1 der Plan, bis ich plötzlich die fixe Idee hatte, den d4-Bauern zu gewinnen, was natürlich hinten und vorne nicht klappt. Interessant ist das Endspiel, das nach 55...Th1 56.d5 Ta1 57.d6+ Ke8 58.Kd3 Txa2 59.Kc2 b1=D 60.Kxb1 Td2 hätte entstehen können.


Es steht Spitz auf Knopf, doch wenn man der Engine Glauben schenken kann, ist diese Stellung für Weiß nicht zu gewinnen.
56.Kd2 Txh4 57.Kc3 den hatte ich verpasst...so einfach kann Schach sein. g5 58.a5 g4 59.a6 Th1 60.a7 1–0
Ein sehr ärgerlicher Verlust nach zäher Gegenwehr, doch es sollte nicht der letzte gewesen sein...


Dennoch startete ich optimistisch in den nächsten Tag, an dem es gegen meinen Wirtzfelder Clubkameraden IM Stephane Hautot in die Schlacht ging. Ich war sehr gut vorbereitet, und da Stephane immer dieselbe Eröffnung spielt, plante ich einen vollen Punkt ein. Völlig falsch lag ich zwar nicht, doch überraschte er mich mit einer in meinen Augen dubiosen Nebenvariante. Was dann geschah, seht selbst:
       
                                   Winterberg - IM Hautot (2374)
 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.c4 c6 4.Sc3 dxc4 5.a4 Lf5 6.Se5 Sbd7 7.Sxc4 Sb6 8.Se5 a5 Dies ist die solide Lieblingsvariante der Chinesen, die viele chinesische Super-GMs in ihrem Repertoire haben. Da man sich am schwarzen Aufbau durchaus die Zähne ausbeißen kann, möchte ich das System hiermit "Chinesische Mauer" taufen. 9.f3 in meinen Augen der ambitionierteste Zug. Solidere Spieler wie Kramnik haben in der Praxis auch häufig 9.g3 und das moderne 9.e3 versucht. Wer es geradliniger mag, kann Gelfands 9.Lg5 folgen oder sich für Mamedyarovs giftiges 9.Tg1!? entscheiden.
9...h6 und da ist schon die Überraschung. Meine gesamten Analysen fingen mit dem Hauptzug 9...Sfd7 an, den die Theorie auch mit Abstand am höchsten einstuft. Der Partiezug hat halt das Problem, dass der Läufer auf h7 kümmerlich stehen wird, und selbst wenn Schwarz es schaffen sollte c5 oder e5 zu realisieren, es viele Tempi benötigen wird, diesen Läufer wieder zurück ins Spiel zu beordern. Meiner Ansicht nach ist 9...h6?! daher eine schlechte Idee. 10.e4 Lh7 11.Le3 Sfd7? Es ist erstaunlich, dass mein Gegner, der immer dieses System mit Schwarz spielt, auf solche Ideen kommt. 11...e6 war ein Muss. 12.Sxd7 Sxd7 13.d5! und plötzlich hat Schwarz große Entwicklungsprobleme. 13...cxd5?? Das überspannt den Bogen aber endgültig. Notwendig war 13...e6 14.dxe6 fxe6 15.Db3 wonach Schwarz zwar deutlich schlechter steht, aber immerhin noch am Leben ist.  14.Lb5 e6 15.exd5 Lb4 16.dxe6 fxe6 17.00 De7 was sonst? 18.Lb6!


Die schwarze Stellung wird zunehmends schlechter. Er kann nach wie vor nicht rochieren und ist ziemlich paralysiert. Der nächste Zug ist forciert. 18...Lc5+ 19.Lxc5 Dxc5+ 20.Tf2? das erste Mal, dass ich den Gewinn verpasse. Ursprünglich geplant war 20.Kh1, wonach Schwarz sofort verloren ist. So würde 20...000 an 21.Se4 Lxe4 (21...De7 22.Dd6+-/ 21...Db6 22.Sd6+ Kb8 23.Sf7+-) 22.Tc1+- scheitern und nach 20...Td8 gäbe es 21.Se4! Lxe4 22.fxe4 nebst Dg4 und Gewinn. Mit Tf2 wollte ich es übergenau spielen und gegebenenfalls den Turm nach d2 überführen, doch das hat den Nachteil, dass die Türme nicht verbunden sind. 20...Td8 erzwungen. 20...000 verliert analog zum Kh1-Abspiel nach 21.Se4+-  21.Tc1 De3 ich erwartete 21...Db6, wenn 22.Sd5! einen starken Eindruck hinterlässt. Nach dem Partiezug wurde ich nervös. Wie soll ich jetzt gewinnen? Problematisch ist, dass Schwarz nun 0-0 droht, um Lxd7 mit Txd7 zu beantworten, da der Tc1 hängt. Hier wird der Nachteil von 20.Tf2? deutlich. 22.Kf1 0-0 23.Te2? übersieht den sofortigen Knockout. Nach 23.Td2! hätte Schwarz die Figur nicht retten können, wie Varianten wie 23...Tf7 24.Sa2! deckt c1 Le4 25.Tc3 nebst Txd7 +- oder 23...Lg6 24.Sa2! Tf7 25.Tc7 nebst Tcxd7 illustrieren. 23...Dg5 24.Lxd7 Txd7 25.Dxd7 Dxc1+ 26.Kf2 das ernüchternde Ergebnis einer einstmaligen Gewinnstellung. Es tut weh, wenn man sich vor Augen führt, was Weiß aus seinen Chancen gemacht hat. 26...Lf5 27.Dd4! stark gespielt, Weiß klopft  sich den Staub ab und fängt von vorne an mit seinen Gewinnbestrebungen. Die Dame steht sehr zentral und lässt Weiß auf ein kleines Plus hoffen. Schwächer hingegen ist 27.Dxb7 Ld3, wo Schwarz sich gut behauptet. 27...Kh7? ein ernster Fehler, der zu einem schlechten Endspiel führt, welches Schwarz kaum halten kann. Ich erwartete stattdessen 27...Dg5, wo es für Weiß sehr schwierig ist, auf Gewinn zu spielen. 28.Dd2! Dxd2 ist erzwungen, da 28...Dh1 29.Dd6 +- etwas peinlich wäre.  29.Txd2 Kg6 30.Td7 Tf7 31.Td6 Tc7 32.Tb6 Td7 33.Ke3 Kf6 34.Tb5 Ld3 35.Txa5 b6 36.Ta8 Lf1 37.g3? in Zeitnot versuchte ich einfache Züge zu machen, die nichts verderben. Nach 37.Tb8 hätte Schwarz getrost aufgeben können, da 37...Td6 an 38.Se4+ scheitert. 37...Lc4 38.Se4+ Ke7 39.h4 mit der Idee den König über f4 zu aktivieren. 39...e5 40.Tc8 Td3+ 41.Kf2 Ld5 und hier wurde mir gesamte Ausmaß meines Scheiterns bewusst. 42.Tc7+ Kf8 43.Tc8+ Ke7 44.Sc3!? ein letzter Gewinnversuch, der jedoch nicht ohne Risiken ist. Schwarz kriegt nun Gegenspiel und sollte nicht verlieren. Die Engine findet aber selbst hier noch eine erstaunlichen Weg um den Sieg zu kämpfen, der in 44.b4!! besteht. Natürlich sah ich diesen Zug, doch dachte ich Weiß würde einen Bauern einbüßen. Allerdings ist dies mitnichten so.



So scheitert beispielsweise 44...Tb3 an 45.Tc7+ Kd6 (45...Kf8 46.Sc3 +-) 46.Txg7 Txb4 47.Th7 +/- und 44...Lxe4 45.fxe4 Td4 46.Tc7+! Kf8 47.a5 bxa5 48.bxa5 Ta4 (48...Txe4? 49.a6 Ta4 50.a7 nebst Tc8+ und a8=D +-) 49.Tc5 führt zu einem für Weiß günstigen Endspiel, wo ich mir nicht sicher bin, ob Schwarz es halten kann. Der Partiezug 44.Sc3!? ist zwar interessant, reicht jedoch nicht aus, einen gewinnbringenden Vorteil zu erzielen. 44...Lxf3 45.Tb8 g5 46.hxg5 hxg5 47.Txb6 g4 48.Tb4 quasi ein Muss. Schwarz drohte mit e4, was unbedingt verhindert werden muss. 48...Kd6 49.a5 Kc5 50.Tb5+ Kd6 51.Tb4 Kc5 52.Tb5+ ½–½
Und schwups ist leichtfertig ein halber Punkt verschenkt. Ein Remis, das sich anfühlt wie ein Verlust. Ich zeigte mich resistent gegen jedwede verheißungsvolle Gewinnfortsetzung und verdiene unter dem Strich das Remis. Dummheit muss bestraft werden.


Runde 8 stand unter einem anderen Stern. Da ich bereits nach Runde 7 in meiner Unterkunft auscheckte, pendelte ich die letzten 2 Tage. Bei einer Fahrt von ca. 2h10min. ist das erträglich. So verließ ich um 11:45 das Haus, also 3h15min. vor Rundenbeginn...aber wie so oft in diesem Turnier ging alles schief. Auf der A3 gab es einen sehr sehr langen Stau nach einem Unfall. Eigentlich kein Problem, ich plane ja immer sehr großzügige Zeitpuffer ein, lieber zu früh als zu spät. Das Problem war, es ging überhaupt nicht weiter, keinen Meter, und das für über eine Stunde. So kontaktierte ich um kurz nach 1 die Turnierleitung und teilte ihr mit, dass ich es nicht pünktlich schaffen würde, vielleicht sogar erst um 4 Uhr eintreffen würde. Ich hoffte darauf, eine Regelung finden zu können, die vorsieht, dass mein Gegner auf mich wartet, so wie ich es am ersten Tag tat, als mein Gegner noch arbeiten musste und die Partie auf 6 Uhr verlegt wurde. Aber nein, um 15:28 erreichte ich "schon" den Turniersaal, meine Uhr lief bereits. Mit Schwarz gegen einen 2373er, mit 28 Minuten weniger auf der Uhr...eine ziemliche Hypothek. Zu meiner Freude kam das einzige Mal in diesem Turnier meine Vorbereitung aufs Brett. Eine Variante, die ich gut kenne, mein Gegner nicht. Ich blitzte, er grübelte und so war sein Zeitvorsprung bald aufgebraucht. Im Mittelspiel bin ich jedoch traditionell sehr lahm und so kam ich doch noch in Zeitnot und vermisste die 28min. Es kam wie es kommen musste...

                                 FM Kalka (2373) - Winterberg
1.c4 Sf6 2.Sf3 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.d4 0-0 6.Le2 Sa6 7.0–0 e5 8.Te1 Lg4!? meine Lieblingsvariante 9.Le3 Lxf3 10.Lxf3 exd4 11.Lxd4 Sb4 das ist die Idee 12.Dd2 Sc6 13.Le3 Sd7 14.Le2 Sc5 15.f3 Se6 mein Gegner verriet mir nach der Partie, dass er diese Idee völlig übersehen hat, dabei ist doch gerade Se6 der Kern des schwarzen Planes. 16.Kh1 und der Zeitvorteil war weg. Meine häuslichen Analysen beschäftigen sich hauptsächlich mit 16.Td1, doch fürchtete mein Gegner 16...Ld4, ein Zug, den ich ob meines geschwächten Königs nie und nimmer gemacht hätte. Die weiße Initiative entwickelt sich nach f4-f5 sehr schnell und die Schwäche des Le2 ist lediglich eine ephemere Erscheinung. 16...Scd4


Nach 16...Ld4 wollte mein Gegner mittels Lh6-e3-h6 die Züge wiederholen. Er verstand nicht, der Schwächung meines Königs Bedeutung beizumessen.17.Sb5 will den lästigen Sd4 sofort befragen, Weiß mag etwas besser stehen, der Rappe, der wie ein Krake auf d4 sitzt, ist allerdings sehr lästig und bereitet dem Anziehenden Unwohlsein, da er "um ihn herum" spielen muss. c5 18.f4 Sxb5 19.cxb5 Sd4 20.Lc4 De7 21.Dd3 Tae8 22.Ld2 Kh8 23.Te3 Dd7 24.a4 f5 25.Tae1 Te7 26.Ld5 Tfe8 eine sehr interessante Stellung hat sich ergeben. Meiner Meinung nach mischt Schwarz kräftig mit und sollte nicht schlechter stehen. 27.Th3 Lf6? und die Zeitnot fordert ihren Tribut. Mit 28min. mehr auf der Uhr hätte ich definitiv 27...fxe4! 28.Txe4 Dg4! mit schwarzem Vorteil gefunden. 28.Dg3 fxe4? Leider zu spät und bereits der entscheidende Fehler. Es gab tatsächlich noch Rettung, welche mit 28...Tg7! verbunden war. Nach 29.e5 dxe5 30.fxe5 Lh4! den übersahen wir beide, steht das Spiel in etwa gleich. 29.Dxg6 Tf8 erst jetzt merkte ich, dass das geplante 29...Df5 an 30.Txh7 +- scheitert. 30.Dh6 Tg7 31.Lxe4 Df7 32.g4 d5 33.Lb1 c4 34.g5 Ld8 35.Lb4 Tfg8 36.Lc3 Lb6 37.Dxb6 habe ich natürlich gesehen, aber was sollte ich sonst spielen?


axb6 38.Lxd4 Te8 39.Txh7+ Kg8 40.Txg7+ Dxg7 41.Txe8+ 1–0
Und erneut ein unnötiger Verlust, manchmal ist es wirklich wie verhext. Der Freude meines Gegner tat das jedoch keinen Abbruch, es muss offenbar ein sehr befriedigendes Gefühl sein mit Weiß gegen einen 90 Punkte schwächeren Gegner bei 30 min. mehr auf der Uhr zu gewinnen...

Inzwischen hatte ich das Turnier bereits abgehakt, es sollte einfach nicht sein! In Runde 9 wurde dann ein Ragozin diskutiert, auf den ich natürlich nicht vorbereitet war. Durch den Sieg robbte (anders kann man es wirklich nicht nennen) ich mich noch an meinem Widerpart vorbei, der am Ende auf Platz 9 eintrudelte.


                                Winterberg - FM Kaufeld (2342)
1.Sf3 ich wollte eine schlaue Zugreihenfolge wählen, doch bereits sein 1.Zug ließ die Träume einer gelungenen Vorbereitung platzen. d5 2.d4 Sf6 3.c4 e6 4.Sc3 Lb4 Ragozin, ok. Wie ging das noch gleich? 5.Lg5 Sbd7 6.cxd5 exd5 7.e3 h6 8.Lh4 g5 In den Varianten mit frühem c5 kenne ich mich ja halbwegs aus, aber frühes h6-g5 hmmm. 9.Lg3 Se4 10.Sd2 Sxg3 11.hxg3 Sb6 12.Ld3 Le6 13.Db3 nachdem ich diesen Zug gespielt hatte, mochte ich ihn schon nicht mehr. Die Dame steht dort unglücklich, da sie einem eventuellen c5 ins Visier blickt. 13...De7 das hingegen empfand ich als sehr angenehm. Wieso nicht Ld6, was mich ernsthaft mit der Drohung c5 konfrontiert? 14.a3 Lxc3 15.Dxc3 c6 16.b4 a6 17.a4 Df6 18.Dc5 der konkrete Ansatz bestand in 18.b5, der auf mich einen gesunden Eindruck machte, aber ich wollte die Lage nicht forcieren. 18...Sd7 19.Dd6 De7 zu weißer Initiative führt auch der Versuch die Dame zu fangen. Nach 19...c5 20.bxc5 Tc8 21.c6 Txc6 22.Da3 bzw. 19...Tc8 20.Sb3 h5 (20...c5? 21.Sxc5+-) 21.Sa5 Tb8 22.f3 steht Weiß etwas besser. 20.Dxe7+ Kxe7 21.Sb3 h5 22.f3! ein starker Plan f5 23.Kf2


durch prophylaktisches Spiel hat Weiß verhindert, dass Schwarz am Königsflügel zu Gegenspiel kommt. Nun wird am Damenflügel gespielt, während Schwarz, des aktiven Spiels beraubt, nur abwarten kann. Außerdem neigen auch die Bauern h5 und f5 zur Schwäche. Kd6 24.Tab1 Sf6 25.Sc5 Lc8 26.Thc1 Tf8 27.Le2 Tf7 28.Tb2 Te7 29.Tbc2 Le6 30.Sd3 Weiß hat den Luxus lavieren zu dürfen. Mein Gegner war bereits in Zeitnot und da ist keine direkte Drohung oft die unangenehmste...man kann sich nicht gegen sie verteidigen. Außerdem schwebt der mögliche Hebel b5 schon länger wie ein Damoklesschwert über des Schwarzen Haupt, was ihn zwingt, sich Gedanken über seine Figurenstellung zu machen. 30...h4? Bricht zusammen. Schwarz musste die Füße still halten, auch wenn es schwer fällt. Richtig war 30...Se7, wenn Weiß sein Lavierspiel fortsetzt und irgendwann in einem günstigen Moment b5 realisiert. Die schwarze Stellung macht auf mich einen sehr gefährdeten Eindruck und ich weiß nicht, ob Schwarz sich halten kann. 31.gxh4 gxh4 32.Se5 droht dreist mit Matt. Tg7 33.b5 erstaunlich ist der Vorschlag der Engine, die 33.Sxc6 bxc6 34.Txc6+ Ke7 35.Txa6 propagiert. Für das menschliche Auge erscheint diese Brachiallösung aber unangemessen. axb5 34.axb5 Sd7 35.Sd3! richtig gespielt, da 35.bxc6 nicht forciert gewinnt, wird der Springer zu seinem Traumfeld f4 überführt.


 cxb5 36.Tb2 Sb6 37.Txb5 Sc4 38.Tcb1 Ta2 39.Sf4 Ein strategisches Bild des Horrors. Schwarz bleibt auf einer Ruine sitzen und die Drohungen Tb6+ und Txb7 lassen sich nicht parieren. b6 40.Txb6+ Sxb6 41.Txb6+ Kc7 42.Txe6 1–0


Fazit: Das Turnier war an sich sehr schön und eine tolle Erfahrung. Zwar lief es für mich nicht ideal, doch habe ich gemerkt, dass es nicht so schwer ist, eine IM-Norm zu schaffen. Die Durchführung von IA de Vet und anderen Helfern war sehr gelungen und verlief reibungslos.

Welches Turnier als nächstes ansteht, weiß ich noch nicht aber bald beginnt die neue Saison, in der wir hoffentlich ordentlich durchstarten werden :)