Auch die zweite Etappe des Turniermarathons ist geschafft. Die Hasslocher Schachtage sind beendet, GM Shchekachev (schreibt man den so?!) siegte am Ende vor IM Chernov und GM Svetushkin. Sowohl mein Mannschaftskollege IM Boidman als auch ich erreichten am Ende 5/7. Während er auf Platz 10 einlief, wurde ich allerdings nur 14. Nebenbei sei noch bemerkt, dass ein gewisser Anand die WM-Krone verteidigen konnte.
Natürlich möchte ich auch wieder eine interessante Partie vorführen und derer gab es eigentlich reichlich. Ich entschied mich, ausnahmsweise mal 2 zum Preis von einer zu präsentieren. Die Schlüsselstellung der Partie gegen GM Ikonnikov möchte ich euch aber auch nicht vorenthalten und verweise diesbezüglich auf meine facebook-Seite.
So,jetzt zur Sache: Nach meiner Niedelage in Runde 3 durfte ich in Runde 4 gegen einen etwas schwächeren Gegner spielen. Das tut allerdings nichts zur Sache, da er keine groben Fehler machte und schnell in Schwierigkeiten geriet, obwohl ich konsequent wider jedwegen Eröffnungsprinzipien agierte.
Winterberg-Haug
1.d4 d5 2.Sf3 e6 3.c4 c6 4.Sc3 Ld6 selten gespielt, häufiger ist erst Sf6. 5.e3 f5 6.Le2 Sd7 7.Dc2 Df6 8.b3 Se7 9.Lb2 0-0 Ok, sieht alles sehr unspektulär aus. Weiß wählte einen ruhigen Aufbau, steht vielleicht etwas besser, aber wo soll er angreifen? Am Brett fand ich einen sehr interessanten Plan, geleitet von der Idee, dass in Stonewall-Stellungen der Springer auf d3 sehr gut steht. Ob ich auf diese Idee auch gekommen wäre, wenn ich nicht eine Woche zuvor in Wunsiedel mit Schwarz gegen M.Bottema einen Stonewall (sogar mit Mehrtempo!) spielte, und schnell Probleme bekam, da der weiße Plan sehr überzeugte?! 10.a3!? a5 11.Sa2 Der Springertanz beginnt. 11...Sg6 Schwarz hadert nicht und will angreifen, aber das hinterlässt Schwächen. Die weiße Unterentwicklung war am besten mit 11...a4 zu bekämpfen. 12.Sc1 De7 13.h4! Auch das noch! Erst zeitraubende Umgruppierungen, (vorläufiger) Verzicht auf die Rochade und jetzt zieht der Randbauer...und das scheint völlig in Ordnung zu sein! 13...e5 hält aktiv dagegen, aber überlässt Weiß einen bedeutenden Vorteil. 14.h5 Sh8 15.dxe5 Sxe5 16.Dc3 Shf7 17.Sd3 Sxf3? Eine seltsame Entscheidung. Natürlich wäre 17...Sxd3+ der Zug der Stunde gewesen. Nach 18.Lxd3 Sh6 19.Kf1 wäre eine Stellung mit verteilten Chancen entstanden, wo viel passieren kann. 18.gxf3! Richtig entschieden. Viel wichtiger als die Bauernstruktur ist die Dynamik. Über die g-Linie wird der Schwarze viel Ungemach auf sich zukommen sehen.
18...Sh6 19.Tg1 Tf7 20.c5 Lc7 21.0-0-0 f4 Die beste praktische Chance. 22.Sxf4 Lxf4 23.sxf4 Sf5 24.Ld3 d4 25.Dc2 Kf8 hier war guter Rat bereits teuer. Egal was Schwarz macht, der weiße Angriff wird entscheidend sein. 26. Tde1 Dc7 27.Te5 Sh6 28.Lxh7 Txf4 29.Tge1 Ld7 30.Dd2 Txf3 31.Dxd4 Tf6 32.Te7 Td8 33.Txg7 Auch 33.Dh4 wäre nicht von schlechten Eltern gewesen. 33...Df4+ 34.Dxf4 Txf4 35.Tg6 Sg4 mit Remisgebot... was soll man bloß dazu sagen?! 26.Tg8+ Kf7 37.Txd8 Le6 38.Lg6+ 1-0
Auch im modernen Schach ist also noch Platz für kreatives Spiel in frühen Eröffnungsstadien.
Die nächste Partie stammt aus der sechsten Runde gegen einen Gegner mit knapp über 2100 Elo. Was mir an dieser Partie gefällt ist die konsequente und vorallem schnelle Verwertung kleiner Vorteile auf kombinatorischem Wege:
Hegermann-Winterberg:
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Dc2 e6 5.Lg5 Sbd7 6.Lxf6 eine ungebräuchliche Fortsetzung. Schwarz sollte keinerlei Probleme haben. 6...Sxf6 7.e3 Ld6 8.Sc3 0-0 9.Td1 De7 10.Ld3 h6 11.0-0 b6 12.cxd5 cxd5 13.Tc1 Lb7 14.h3 Tfc8 15.Db1 a6! 16.a3 b5!
Auf dem Brett steht eine ruhige Stellung, die allerdings bereits etwas besser für Schwarz ist, da er am Damenflügel die Initiative besitzt. Weiß hat zwei Möglichkeiten diese zu bekämpfen. Entweder mit 17.b4 Sd7 18.Sd2 Sb6 19.Sb3 Sc4 20.Da2 e5!, was klar zu schwarzen Gunsten ist, oder aber mit der Partiefortsetzung 17.a4 b4! 18.Se2 Lc6 19.b3 Sd7 20.Tc2 Lb7 21.Tfc1 Txc2 22.Txc2? Und dies ist bereits ein ernster Fehler, der die Koordination der weißen Figuren nachhaltig stört. Es beginnen taktische Motive gesehen zu werden, die auf der Stärke des Läuferpaars und der Ungedecktheit der weißen Dame und des weißen Läufers beruhen. Genau deswegen war 22.Dxc2! der richtige Weg. Nach 22...a5 =/+ behielte Schwarz nur einen kleinen Vorteil. 22...e5! 23.dxe5 Sxe5 24.Sxe5 Dxe5 25.g3 d4! Der erste Hammerschlag.
26.e4! gut pariert. 26...Td8 27.Tc4 Lf8 28.Kh2 h5! Dieser Bauer wird auf h4 der Sargnagel werden... 29.f4 Df6 30.Dg1? ...und gerade deshalb war 30.h4 unbedingt notwendig, was es Schwarz nicht einfach gemacht hätte die Bastille zu stürmen, z.B. 30...Db6 31.Dc2 Td7=/+. 30...h4! Das Schachprogramm findet noch einen letzten Strohhalm, der allerdings keinem menschlichen Spieler gefallen würde: 31.gxh4 -/+ . Der Partiezug sieht zwar gesünder aus, verliert aber: 31.g4? Hier schoss mir plötzlich eine Taktik durch den Kopf. Gewinnt 31...Ld6 nicht? Auf 32.Df2 käme g5 33.Df3 gxf4 Ein amüsantes Bild. Schwarz hat Bauern auf b4,d4,f4,h4 während a4,c4,e4,g4 in weißer Hand sind. Schwarz hat sich etwas festgerannt auch wenn er mehr oder weniger problemlos gewinnen sollte. Aber wie heißt es? "Wenn du einen guten Zug gefunden hast, suche einen besseren". So kam es, dass ich mit 31...Lxe4! den zweiten Hammerschlag fand.
32.Lxe4 d3 33. Lxd3 werfen wir einen Blick auf die Alternativen: Sg3, Sd4 und Sc3 kommen sowieso nicht in Betracht, bleibt 33.Sc1 wonach Schwarz sowohl Dxf4+ als auch Db2+ spielen kann. Am besten ist wahrscheinlich 33...Dxf4+ 34. Kh1 (34. Kg2 Dg3+ -+) d2 35.Sd3 (35.Lh7+ Kxh7 36.Txf4 d1=D -+ bzw. 35.Se2 Dxe4-+) Txd3 mit Gewinn. Aber auch nach 33.Lxd3 behält Schwarz entscheidenden Vorteil, da nun der offene weiße König den eindringenden Schwerfiguren schutzlos ausgeliefert ist. 33...Txd3 34.Db1 Td2 35.Te4?! Txe2+! Aller guten Dinge sind drei. Der erste Hammer (25...d4!) wurde vom weißen gut weggesteckt, nach dem zweiten (31...Lxe4!) war er bereits stehend KO und dieser letzte Keulenhieb knipst endgültig die Lichter aus. 0-1.
Interessant hierbei war die Verknüpfung der Motive Läuferpaar, geschwächte Königsstellung und Keilbauer.
In Bälde wird schon der Bericht über das RLP-Open folgen.