Ahoi Schachfreunde,
bald beginnt der Kampf um die Schachkrone zwischen Magnus Carlsen und Vishy Anand, bei dem es meiner Prognose nach keinen klaren Favoriten gibt. Bei einem Kämpfer wie Carlsen sind außerdem interessante Partien zu erwarten. Geschätzte 25 Spielklassen tiefer fand letzte Woche das erste Qualifikationsturnier des RAMADA- Cups in Bad Soden statt, ausgetragen im RAMADA- Hotel, in dem bereits Kasparow spielte, welches aber auch bereits erwähntem Vishy Anand nicht fremd sein dürfte, lebt er doch seit Jahren in Bad Soden. Mit exakt 300 Teilnehmern startete das Turnier, welches in 6 Ratinggruppen unterteilt ist. In der A-Gruppe siegte etwas überraschend ein Jugendspieler mit 4,5/5, welcher mir dieses Jahr auch schon eine leidvolle Erfahrung bescherte. Ich startete von Startplatz 2 und lief schlussendlich auch mit 4/5 als Zweiter über die Ziellinie. Zufrieden bin ich dennoch nicht, war die Qualität der Partien doch außergewöhnlich schlecht, lediglich mein Kampfgeist und eine gehörige Portion Glück bewahrte mich vor Schlimmerem. Im Folgenden stelle ich die Partie aus der vierten Runde vor, die einzige Partie, mit der ich zufrieden bin. Auch wenn sie nur Remis endete, finde ich sie sehr interessant.
Winterberg- FM Meyer, F.
1.d4 c6 2.c4 d5 3.Sc3 Sf6 4.cxd5 Der Abtausch- Slawe gilt gemeinhin als blutleere Variante, ideal geeignet um auf Remis zu spielen. Ich sehe es ein wenig anders: Wenn Weiß möchte, sollte er problemlos zum Remis kommen, spielt er aber auf Sieg, ist das System nicht ungefährlich. Meines Erachtens hat Schwarz nicht weniger Probleme als in anderen Eröffnungen. 4...cxd5 5.Lf4 Sc6 6.e3 die genaueste Zugfolge. Der Springer bleibt vorerst auf g1, je nach dem wie Schwarz spielt, kann sich das Spiel in verschiedene Richtungen entwickeln. 6...Lf5 7.Sf3 Beachtung verdient auch 7.Db3!? Sa5 8.Da4+ Ld7 9.Dc2, was Kramnik erfolgreich gegen Aronian spielte. 7...a6 8.Ld3 Lxd3 9.Dxd3 e6 10.0-0 Le7 11.Tfc1 Weiß hat eine leichte Initiative. Da ich mich auch mit Schwarz gelegentlich mit solchen Stellungsbildern konfrontiert sehe, weiß ich aus Erfahrung, dass es sich nicht angenehm mit Schwarz spielt, der weiße Vorteil ist zwar minimal, aber störend. 11...0-0 12.Sa4 Tc8 13.a3 Sd7 14.b4 g5?! diesen Zug hatte ich nicht auf der Rechnung und meines Erachtens ist er auch fehl am Platze. Da Schwarz nicht ernsthaft von einer Initiative am Königsflügel träumen kann, schwächt dieser Zug nur. Ich erwartete stattdessen 14...Sb6, nach 15.Sc5 Lxc5 16.bxc5 Sc4 17.Tab1 S6a5 ist die Stellung dem Ausgleich sehr nahe. In der Partie folgte weiter: 15.Lg3 f5 wer A sagt,... 16.h3 lange berechnete ich die Folgen von 16.Se5, wonach 16...f4 ein taktischer Fehler wäre, den man mittels 17.exf4 gxf4 18.Sxd7 Dxd719.Lxf4! (19.Sb6? Dd6 20.Sxc8 Txc8 -/+) bestrafen könnte. Allerdings kann Schwarz 16...Sxe5 17.Lxe5 Sxe5 18.dxe5 spielen, wonach die Stellung ausgeglichen ist. Zu dieser Erkenntnis gelangt, wählte ich das unverbindliche 16.h3, worauf 16...f4 folgte. 17.Lh2 Tf5 18. Te1 b5 19.Sc3 nachdem Schwarz sich am Königsflügel bereitwillig geschwächt hat, möchte ich nun auch noch den Springer zum Königsflügel überführen, statt wie ursprünglich geplant, auf c5 einzureiten. 19...fxe3 20.Txe3 Sf8 wenn ich mir die Stellung anschaue, kann ich es immer noch nicht fassen, dass Schwarz sich behaupten konnte. 21.Tae1 Lf6 22.Se2 schlecht wäre natürlich 22.g4?, was an 22...Txf3 23.Txf3 Sxd4 -/+ scheitert. 22...Lg7 und nun beginnt der Spaß. 23.Sg3 Txf3! Schwarz muss handeln. Trostlos wäre 23...Tf7 24.Sh5 mit deutlichem Vorteil für Weiß.
24. gxf3!? ein interessanter Ansatz, der meiner Ansicht nach etwas stärker ist als 24.Txf3.
24...Sxd4 25.Sh5 Sc2 26.Txe6 Sxe1 27.Txe1 diese Stellung hatte ich vor Augen, als ich den 23. Zug ausführte. Ich ging davon aus, Weiß habe eine starke Initiative gegen den geschwächten gegnerischen König. Wie ich feststellen durfte, ist die Stellung jedoch keineswegs klar. 27...Sg6 28.Lg3 notwendige Prophylaxe. Allzu oft drohen Wendungen mit Tc1+ Kg2 Sh4+, weshalb ich mir die Zeit nahm, dieser Drohung entgegen zu wirken. 28...Dd7 eine weitere Idee von 28.Lg3 war es, den Gegner zur Rettung seines wichtigen Lg7 zu motivieren, da für 28...Lh8 29. Te6! (stark ist auch 29.Df5) schlichtweg keine Zeit ist. Der Partiezug ist deutlich besser. 29.Sxg7 Kxg7 30.Dd4+ Kf7! und wieder ein mal wählt er das richtige Feld, ich erwartete eher 30...Kh6, wonach Weiß jedoch dank der Möglichkeit 31.f4 Vorteil behielte. 31.Td1 ich darf nicht locker lassen, schaffte Schwarz es sich zu konsolidieren, stünde er gut. 31...Se7?! ich nahm an, dass er diesen Zug spielen würde, allerdings droht Dxd5 in meinen Augen nicht, da Schwarz im damenlosen Endspiel nicht das geringste Problem haben dürfte. Andererseits sah ich wenige vernünftige Wartezüge. Einen gesunden Eindruck macht z.B. 31...Tc4, worauf ich mir im Voraus nicht wirklich überlegt habe, wo die Dame hin soll. 31...Se7?! ist zwar spielbar, erfordert jedoch weiterhin eine präzise Verteidigung. 32.Kg2 da ich momentan den Druck kaum verstärken kann, nehme ich mir die Zeit für diesen ruhigen Zug, der die Königsstellung etwas verbessert. 32...Df5 33.Te1 Tc6 ein geschickter Zug, der es Weiß nicht leicht macht, die schwarze Stellung zu knacken. Jedoch ist er nur geradeso spielbar. Ich vermute, dass mein Gegner den Partiefortgang nicht hat kommen sehen, und schlichtweg Glück hatte. 34.Te5 Df6 gefährlich war auch 34...Dg6, man sehe z.B. 35.Dg4 h6 36.Dd7 Te6 37.Txd5 +/-. Doch auch die Partiefortsetzung 34...Df6 lässt Schwarz in einen starken Angriff geraten. 35.h4!
Schwarz steht nun am Rande des Abgrundes und im Falle von 35...h6? 36.hxg5 hxg5 37.Dg4 müsste er schon 37...d4!? versuchen, was wahrscheinlich aber trotzdem verliert. Zum wiederholten Mal fand mein Gegner den einzigen Zug. 35...Tc4! 36.Dd3 gxh4 37.Dxh7+ Kf8 genauer war wohl 37...Ke8
38.Lh2 Tc3 39.Dh5 d4 40.Dg4 d3 die Zeitkontrolle war nun geschafft, ich konnte mir wieder etwas Zeit lassen. Für den Rest der Partie blieben mir 15min. + 30 sec. pro Zug. Für meinen nächsten Zug investierte ich geschlagene 10min. Ich konnte es nicht glauben, dass Schwarz diese Stellung halten kann. Ich fand verschiedene Ansätze. Die erste Idee besteht in einem Turmmanöver über e4-f4. Allerdings war 41.Te4? Dg6 -/+ schnell zu verwerfen. Blieb eigentlich nur noch eine andere Idee, die ich auch in der Partie wählte. 41.Te6! h3+! einziger Zug 42.Kxh3 Dh8+ 43.Kg2 Tc4! und wieder findet Schwarz den einzigen Zug. Beträchtlich schwächer wäre das sofortige 43...Dg8, das ich eigentlich für erzwungen hielt, nach 44.Ld6 Dxg4+ 45.fxg4 d2 46.Lxe7+ Kf7 47.Td6 sollte Weiß das Turmendspiel gewinnen.
44.Dg5?schade, das wäre ihr Preis gewesen... Abgesehen davon, dass ich 44.Dg5 für erzwungen hielt, glaubte ich an Vorteil nach 44...Dg8. Völlig entgangen war mir hingegen 44.Lf4!, wonach Schwarz vor großen Problemen steht, da der König immer noch starkem Druck ausgesetzt ist. Bei schrumpfender Bedenkzeit nahm ich 44.Lf4!, was sich auf den ersten Blick unglücklich in eine Selbstfesselung begibt, nicht ernsthaft wahr, zumal Schwarz mit dem Bauern d3 auch einen Kandidat für potentielles Gegenspiel besitzt. In der Partie folgte erwartungsgemäß 44...Dg8 45.Dxg8 Sxg8 46.Td6 darauf hatte ich mich verlassen 46...Tc3 47.Txa6 Se7 48.Lf4 Sd5 49.Ld2 und hier wähnte ich mich auf der Siegerstraße, da 49...Tc2 50.Td6 +- sofort verliert und 49...Tb3 50.f4 nebst Kf3 auch zum Gewinn ausreichen sollte. Stattdessen fand mein Gegner mal wieder den stärksten Zug, worauf ich resignierte und mich mit einem Remis abfinden musste. 49...Ke7!
50.a4 Tc2 und ich akzeptierte enttäuscht sein Remisangebot. Eine kämpferische Partie, die von beiden Seiten mit offenem Visier vorgetragen wurde. Am Ende steht ein Eloplus, welches mich zum FM machen wird, alsbald das Turnier ausgewertet und der Titel beantragt wird. Abgesehen von dieser Partie spielte ich in diesem Turnier aber eher wie ein Novize.
Ich wünsche allen Lesern einen schönen Herbst, Turniere werde ich erst wieder nach Weihnachten spielen, vielleicht schon mit 2 zierenden Buchstaben mehr als gewohnt.