der Karneval ist seit gestern vorbei, dessen Spuren werden so manchen jedoch noch verfolgen. Dabei spreche ich aber nicht von dem berühmten Brummschädel oder anderen Auswirkungen ausgeweiteten Alkoholkonsums. Ich spreche vielmehr von den Ratingentwicklungen, die bei Karnevalsturnieren vollzogen wurden. An dieser Stelle sei auch auf den RAMADA-Cup in Köln Brühl hingewiesen. Köln/Fasching---RAMADA-Cup?! Es verwundert nicht, dass sich zahlreiche Schachfreunde als Cowboy, Mönch oder ähnliches ans Brett begaben. Ich spielte stattdessen das starkbesetzte Pfalz-Open, selbstverständlich wie üblich als Zivilist gekleidet. Während Großteile des Rheinlands zum Höhepunkt der närrischen Zeit enthemmt der Bacchanale frönten, wurde im pittoresken Neustadt an der Weinstraße Schach gespielt, und dies geschah zumindest an den ersten 10 Brettern zumeist auf hohem Niveau. Sieger nach 9 Runden wurde Favorit GM Baklan vor dem jungen GM Bogner, der seit einiger Zeit unter eidgenössischer Flagge spielt. Bei mir lief es sehr durchwachsen. Einige wenige Partien waren gut, der Rest war stellenweise grotesk schlecht. "Närrisch" ging es bereits in Runde 1 los, als ich es zuwege brachte im Rubinstein-Franzosen als Anziehender nach nur 9 Zügen einen Bauern einzustellen. Narreteien wie diese zogen sich wie ein roter Faden durch das Turnier, was das Eloplus von ca. +2 allerdings nicht vermuten lässt. Das Turnier an sich war sehr gut organisiert, was beim Schiedsrichtergespann Johann/Hendrich/Hess üblich ist. Der Turniersaal war geräumig, der Raum gut klimatisiert. Lediglich dem ständigen Lärm auf dem Flur wurde man nicht wirklich Herr. Ich verstehe nicht, wieso sich die Leute nicht an Turnierruhe halten, gerade Schachspieler sollten es doch verstehen, dass Ruhe nicht abträglich ist. Auch das Schild auf dem Flur mit der Aufschrift "Bitte Turnierruhe" wurde entweder erfolgreich ignoriert oder nicht respektiert. Bei geschlossener Tür war die Geräuschkulisse zum Glück sehr gut erträglich. Entschuldigungen für schlechtes Spiel sollten also woanders gesucht werden :) . ...zum Beispiel bei unterirdischen theoretischen Kenntnissen. Als Weißer schaffte ich es in 2 Partien nicht, einen Eröffnungsvorteil nachzuweisen, in einer stellte ich einen Bauern ein, in einer Schwarzpartie konnte ich mit Ach und Krach einen sofortigen Kollaps in der Eröffnung vermeiden. Vor allem gegen die Letten tat ich mich schwer: 0,5/3 sind wenig erbaulich, mal ganz abgesehen davon, dass ich eine Gewinnstellung Remis gegeben habe. Nun möchte ich 2 Partien vorstellen, die das alles in allem schlechte Turnier nicht wirklich widerspiegeln.
Winterberg - Hecht,C.
Vor der Runde hatte ich naturgemäß etwas Bedenken. Gegen einen jungen Gegner zu spielen, dessen DWZ bereits über 2100 ist, ist üblicherweise alles andere als ein Picknick im Park. In dieser Partie lief es gottseidank sehr gut für mich, selbst die Engine war ziemlich glücklich. Und was die Engine glücklich macht, stellt auch mich zufrieden :).
1.e4 c5 2.c3 d5 3.exd5 Dxd5 4.d4 Sf6 5.Sf3 e6 6.Le3 cxd4 7.cxd4 Sc6 8.Sc3 Dd6 9.a3 Le7 10.Ld3 0-0 11.0-0 b6 12.De2 Lb7 13.Tad1 Tfd8 14.Tfe1 Tac8 15.Lb1 bis zu diesem Moment spielten wir beide ziemlich schnell. Jetzt versank mein Gegner zum ersten Mal im Nachdenken, umso erstaunlicher, dass er sich für einen schlechten Zug entschied. 15...Sa5? zu früh, der Springer macht dort nichts, im Gegenteil: Schwarz gibt frühzeitig die Kontrolle über e5 auf. Die Theorie empfiehlt bessere Pläne. 16.Se5 und hier rechnete mein Gegner eine gefühlte Ewigkeit, bis er nur noch 39 Minuten auf der Uhr hatte, die schwarze Stellung ist bereits schwierig, ständig drohen diverse Opfer auf f7 oder h7. 16...Sc6! Es fällt nicht leicht, einen Fehler zuzugeben, ganz besonders nicht in einer Situation wie dieser. Der schwarze Zug ist der beste, fehlerhaft wäre es gewesen, Sa5 zu rechtfertigen und z.B. Db8 zu ziehen, 17. Lg5 ▲ 18.Sxf7 +- hätte den Tag zu weißen Gunsten entschieden. 17.f4 g6 18.La2! ein typisches Manöver, da der Läufer nach 17...g6 auf Granit beißt. Auf der Diagonalen a2-g8 winkt ihm jedoch eine verheißungsvolle Zukunft. Der Vorstoß d5 wird bekräftigt und Schwarz wird sich im Folgenden immer mit möglichen Opfern auf f7 beschäftigen dürfen. 18...Lf8 19.Lf2 Sd5 allzu gerne hätte Schwarz 19...Sh5 versucht, um Weiß zu g3 zu verleiten, doch scheitert Sh5 taktisch an 20.Sxf7! Kxf7 21.Lxe6+ (21.Se4!?) Kg7 22.d5! wonach die schwarze Stellung zusammenbricht. Nach der Partiefortsetzung hat sich Weiß die Frage zu stellen, ob er besser mit dem Springer oder mit dem Läufer auf d5 schlägt. Für den Springer habe ich wenig Perspektiven gesehen, wohingegen der Läufer eine latente Kraft ausstrahlt. Außerdem gäbe es nach 20.Lxd5 exd5 immer Tricks mit Lxa3 basierend auf der ungedeckten Stellung des Sc3. Laut Engine wäre der weiße Vorteil sogar völlig perdu. 20.Sxd5 exd5 21.Df3 mit der Drohung f5 21...Se7 22.Lb1! da ist er wieder und erneuert die Drohung f5. 22...f6 23.Sg4 f5 24.Se5 Lg7 25.Lh4 es zeichnet sich ein strategisches Debakel für Schwarz ab. Der Bauer d5 ist schwach, der Lb7 passiv und die weißen Figuren stehen ausgezeichnet.
25...Lf6 26.Lxf6 Dxf6 27.La2! und täglich grüßt das Murmeltier. 27...Dd6 28.Tc1 Sc6 gibt Weiß die Chance ein paar Figuren zu tauschen und den Druck gegen d5 zu verstärken. 29.Sxc6 Txc6 30.Txc6 Dxc6 31.De3 Df6? 32.De7
und in dieser Stellung überschritt mein Gegner seine Bedenkzeit obwohl wir mit Inkrement spielten. Allerdings ist es zu bezweifeln, dass Schwarz diese Partie anderenfalls nicht verloren hätte. Erwähnenswert ist, dass 32...Dxd4? an 33.Kh1 scheitert, wenn nach 33...Tb8 34.Dc7 Schwarz eine Figur verliert. Demzufolge muss Schwarz nolens volens 32...Dxe7 spielen, und nach 33.Txe7 La6!? versuchen, da das passive 33...Tb8? nach 34.Txb7 Txb7 35.Lxd5+ ein verlorenes Bauernendspiel ergibt. Nach 33...La6!? ist 34.Kf2!+/- stark, hingegen 34.Txa7?! Lc4 mit sehr guten Remischancen.
Mit dieser Partie bin ich zufrieden, leider lief es in den meisten anderen ganz anders...
Die zweite Partie, die ich vorstellen möchte, ereignete sich eine Runde zuvor, wobei ich in dieser Partie die Einstellung der schwarzen Seite im Alapin verteidigte.
Spengler,H. - Winterberg
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 Dxd5 5.d4 Sf6 6.Le2 in Runde 2 versuchte mein Gegner 6.Le3 cxd4 7.Dxd4?! er spielte offenkundig auf Remis und erreichte dieses auch.
6...Sc6 7.0-0 cxd4 8.cxd4 Le7 9.Sc3 Dd6 10.Lg5 0-0 11.Dd2 Td8 12.Tfd1 Sd5 wie ich nach der Partie festgestellt habe, gab es dies alles bereits. 13.Lxe7 der erste neue Zug, in den drei Vorgängerpartien versuchten die Weißen es mit 13.Tac1. 13...Scxe7 14.Se5 Sf6 (14...Sxc3!?) 15.Sb5 Db8 16.Tac1 Sed5 verlockend war 16...a6, doch waren mir die Folgen von 17.Sc7 Ta7 nicht klar. Der Springer steht zwar komisch auf c7, aber ich kann ihn nicht angreifen. Der Textzug ist solider. 17.Dg5 Ld7 18.Sc3 Le8 19.Td3 mein Gegner macht vieles richtig, er scheint einen gewissen Erfahrungsschatz in dieser Art von Stellung zu besitzen. 19...h6 20.Dh4 Dd6 21.Tg3 Kf8!
Eine böse Überraschung für den Anziehenden. Der Se5 ist nicht zu halten. 26.Dd2 Dxe5 27.dxe6 Txd3 28.Lxd3 Sh4! 29.Te1 Dd6 30.e7+ Kg7 31.De3 Lc6 32.f3 und obwohl ich nur noch 2 Minuten auf der Uhr hatte, ließ ich es mir nicht nehmen, die Partie auf der Stelle auf kombinatorischem Wege zu beenden. 32...Sxg2!
33.Kxg2 Sg4 34.De2 Dxh2+ 35.Kf1 Dh1#
Eine interessante Partie, mit einem für die Alapin-Variante typischen Stellungstyp. Mein Gegner meinte nach der Partie, dass ich bestimmt auf Verlust gestanden habe, doch bestätigte die Engine meine Einschätzung: Die schwarze Verteidigung steht fest und ist schwer zu knacken.
Das nächste Turnier wird kommen, voraussichtlich wird es das Neckar-Open sein. Sonntag geht es aber zunächst mal darum, den Aufstieg unter Dach und Fach zu bringen.