Dienstag, 12. März 2013

Liebesgrüße aus Moskau

Hallo allerseits,
am Sonntag hatten wir unser vorletztes Mannschaftsspiel in dieser Saison. Unsere Spieler waren in guter Form und spielten wirklich stark auf, was zu einem - auch in dieser Höhe verdienten- 6,5-1,5 führte. Im Folgenden möchte ich auf meine Partie eingehen. Obwohl es so aussah, als ob Weiß recht mühelos gewann, war es eine hochkomplizierte Partie, in der Schwarz viele Möglichkeiten hatte, schwierige Abspiele heraufzubeschwören.
Winterberg-Michels, A.
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 e6 5.Lg5 Das ist der aggressivste Zug, der zu scharfem Spiel führt. Die ruhigere Alternative 5.e3 ist die andere Hauptvariante, die zwar ruhiger, aber auch perfekt spielbar ist.  5...h6 6.Lh4 g5 7.Lg3 dxc4 8.e4 b5 9.Le2 Dies ist die Grundstellung des Moskauer Gambits, eine der schwierigsten Eröffnungen unserer Zeit. Wenn Weiß sich das taktische Geplänkel nicht antun will, ist 6.Lxf6 eine seriöse Alternative, die jedoch zur Zeit eine kleine Krise erlebt, fehlt es nach aktuellem Stand doch an Ideen Vorteil zu erlangen. 9...Lb7 Der Hauptzug, seltener, aber nicht unbedingt schwächer ist 9...Sbd7 10.h4! Dieses aggressive Vorgehen ist Sokolovs Idee und ist im Laufe der Jahre zur Hauptvariante avanciert. 10...g4 11.Se5 h5 In dieser Stellung haben die Nachziehenden auch schon 11...Tg8!? probiert.  12.0-0 Lh6!? Ein sehr seltener Zug, zu welchem ich in meiner Datenbank lediglich 3 Partien finden konnte, was ich mir aber nicht wirklich erklären kann, schlecht kann dieser Zug nicht sein, dennoch greift alle Welt zu 12...Sbd7 mit einem Ozean an Theorie. 13. f3! N




  Dieser konsequente Zug stellt eine Neuerung dar und ist sicher nicht zu widerlegen. Abgesehen vom objektiven Wert, der Weiß einen Vorteil einräumen dürfte, ist es auch psychologisch gesehen eine sehr gute Entscheidung, wieso sonst sollte Schwarz 12...Lh6 spielen?! Ich bin mir fast sicher, dass mein Gegner die Möglichkeit 13.f3! gar nicht ernsthaft in Betracht gezogen, geschweige denn berechnet hat. Die nun entstehenden Komplikationen sind sehr interessant. 13...Le3+ Dies ist selbstverständlich der kritische Test, weshalb für 13.f3! auch eine halbe Stunde überlegte. Viele andere Züge als 13...Le3+ habe ich nicht berechnet, da ich davon ausging, dass dieser Zug aufgrund der Drohung fxg4 erzwungen ist. Sehr interessant war der Vorschlag des Silikonkopfes, der 13...Sd7 spielen will, worauf ich 14.Sxf7! geplant hatte. Nach 14...Le3+ 15.Kh1 Kxf7 16.fxg4 hxg4 17.e5 Kg7 18.exf6+ Sxf6 19.Lxg4 entsteht eine total wilde Stellung, die am Brett, zumal in der Vorausberechnung, kaum zu bewerten ist. Aber auch der Partiezug 13...Le3+ hat es in sich. 14.Kh1 b4?? und schon stolpert Schwarz. Es gab an dieser Stelle drei seriöse Alternativen: a) 14...Sd7 b) 14...Lxd4 und c) 14...Dxd4.
Bezüglich der Sd7-Variante, werde ich nun hauptsächlich Engine-Varianten widergeben, da ich diesen Zug nicht wirklich ernst nahm. 14...Sd7 15. Sxd7 Sxd7 16.d5! An dieser Stelle brach ich die Berechnung ab, doch die Lage ist noch nicht klar. 16...exd5 17.exd5 und nun zum Beispiel 17...Sc5 18.d6! Dd7 19.fxg4 0-0-0 20.g5! b4 21.Lxh5! Eine kranke Alternative nach 16.d5 fand übrigens meine Engine, die 16...Lf4!! vorschlägt und die Stellung für ausgeglichen hält.

 

  Aber seien wir ehrlich, wer soll sowas am Brett finden? :)

14...Lxd4 lässt sich hingegen ziemlich leicht widerlegen: 15. fxg4 Lxc3 (Auch 15...b4 wird taktisch zurückgewiesen) 16. Dxd8+ Kxd8 17.bxc3 Sxe4 18.Sxf7+ Ke7 19.Ld6+! +-

Schwierig einzuschätzen war dagegen 14...Dxd4, was mir einige Minuten meiner Bedenkzeit raubte. 15.fxg4 Sd7 Einziger Zug!  16.Sxf7! Kxf7 17.g5 Kg7 18.gxf6+ Sxf6 Weiß verfügt nun über drei interessante Züge, wovon ich allerdings nur einen sah. Geplant war 19.Dc2 ohne konkrete Varianten zu berechnen, fühlte ich, dass Weiß etwas haben muss, nach 19...e5! wäre die Auswahl jedoch begrenzt und das in dieser Partie typische Durcheinander entsteht wieder: 20.Tad1 Dc5 21. Tf5 Tae8 22. Td8!!



22...Txd8 23.Lxe5 Thf8 24.Lxf6+ Txf6 25.Txc5 Lxc5 26.Dc1 Tg6 27.Df4 Ld6 28.e5 Le7 29.Se4 mit Initiative. Dass ich all dies am Brett gefunden hätte, wage ich stärkstens zu bezweifeln. Jedoch gibt es zu 19. Dc2 noch zwei Alternativen, beide auf der Idee basierend, die Dame nach g3 zu überführen. In Frage kommen daher 19.Lh2 und 19.Lc7, der Übersichtlichkeit wegen möchte ich jedoch nur auf 19.Lc7 eingehen: 19...Taf8 Der beste Zug, auch andere Züge führen zu weißem Vorteil 20.De1 Sg4 21.Txf8 Txf8 (Besser ist Kxf8) 22.Lxg4 hxg4  23.De2 +-

Bei diesen enormen Komplikationen verwundert es nicht, dass mein Gegner bei Ausführung des Zuges 14...b4?? bereits in Zeitnot abdriftete, wobei mir noch knapp 1,5 Stunden zur Verfügung standen.
Jetzt löst sich alles in Wohlgefallen auf, die schwarze Stellung ist verloren. 15.Sxc4! bxc3 16.bxc3! am einfachsten gespielt, wobei auch die beiden Alternativen durchaus respektabel sind.
16...De7 17.Sxe3?! Naja, "?!" ist vielleicht etwas zu hart, schließlich nimmt Weiß seine Figur zurück, behält den Mehrbauern und alle weiteren Trümpfe. Dennoch muss man zugeben, dass Critters Vorschlag 17.Tb1! bedeutend stärker ist. Schwarz könnte danach getrost in ein paar Zügen aufgeben. Der Partiezug 17.Sxe3 ist aber natürlich auch kein Fehler. 17...gxf3 18.Lxf3 Tg8 19.Lf4 Sg4 20.Sxg4?!  wiederum eine leichte Ungenauigkeit, stärker wirkt 20.Lxg4 hxg4 21.Lg5 Txg5 22.hxg5 Dxg5 23.Dxg4+-, aber auch der Partiezug hält den Gewinn fest. 20...hxg4 21.Lxg4 Dxh4+ 22.Lh3 Sd7 23.De2 0-0-0 24.Tab1 Sb6 25.Lh2 Tg7 26.a4 Th8 Auf 26...Sxa4 plante ich zunächst eine hübsche Kombi, fand jedoch auch  deren Widerlegung. Zunächst war 27.Da6 Lxa6 28.Txf7 geplant, doch dreht 28...De1+! den Spieß rum. Statt 27.Da6 gewinnt 27.Da2 natürlich leicht.
27.a5 Sc4 Ein letzter Trick 28.Txb7 Kxb7 29.Dxc4 Dxe4 30.Db4+ Ka8 31.Tb1  1-0

Eine sehr inhaltsreiche Partie, die von beiden Seiten kämpferisch angelegt wurde. Vielleicht ist das letzte Wort mit 12...Lh6 noch nicht gesprochen.


















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