Montag, 2. September 2013

Von Sommer-Hochs und kalten Duschen

Hallo Schachfreunde =)
eine ganze Weile ist vergangen, seit ich meinen letzten Beitrag verfasst habe. Ich habe dieses Jahr viel gespielt und das nicht ohne Erfolg, stieg das Rating doch beträchtlich. In den letzten 48 Turnierpartien musste ich lediglich 3 Niederlagen quittieren - alle gegen GMs- jedoch 30 Siege verbuchen. Im Folgenden werde ich ein paar Partien von diversen Open präsentieren:

Im Juli fand in Bonn die 17.Auflage des alljährlichen Godesburg-Opens statt. Leider war es, verglichen mit den letzten Jahren, ziemlich schwach besetzt. Das Favoritenfeld bildeten 2 GMs und 2 IMs. Nach 9 Runden siegte etwas überraschend der über 80 Jahre alte FM Jefim Rotstein, der damit den Titelgewinn in den Händen seiner Familie verbleiben lässt, siegte letztes Jahr doch sein Sohn GM A. Rotstein. Ich spielte gegen 8 nominell schwächere Gegner und den nachmaligen Turniersieger. Am Ende sprangen 5 Siege bei 4 Remisen heraus. Die Eröffnungsphase nahm in einigen Partien einen interessanten Verlauf, jedoch werde ich diese Allgemeingüter an dieser Stelle nicht rezitieren sondern auf eine interessante Partie aus Runde 6 eingehen, meinen einzigen Schwarzsieg aus 5 Partien:

Mittmann- Winterberg:

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Dc7  durch diese Zugfolge kann Schwarz die Sweschnikow-Variante vermeiden und trotzdem das angestrebte Taimanov-Paulsen-System erreichen.  5.Sc3 e6 6.Le3 a6 7.Dd2 Sf6 8.f3?! Dieser Zug ist nicht der beste und sollte zu befriedigendem Spiel für Schwarz führen. Weiß war um die Sicherheit seines e-Bauern besorgt, dennoch wäre 8.0-0-0 die Hauptvariante, die in den letzten Jahren ein gutes Ansehen genießt und als gefährlichste Variante gegen den schwarzen Aufbau gilt.  8...Lb4 wie in der Hauptvariante. Leider konnte ich mich nicht erinnern, wie die Empfehlung nach dem zahmen 8. Zug von Weiß lautete. Bessere Option waren wohl 8...b5 und vor allem 8...Se5.  9.g4 Weiß baut sich auf wie im Englischen Angriff, der allerdings gegen das Paulsen-System nicht so gefährlich ist wie z.B. gegen Najdorf. Der Grund ist einfach: Schwarz hat sich noch nicht mit d6 festgelegt, kann also d5 in einem Zug spielen und sich ein Tempo sparen, was in derart scharfen Varianten nicht unbedeutend ist. 9...Sxd4!? 10.Dxd4 Ld6 11.0-0-0 Le5 12.Db4 Auf den ersten Blick scheint Weiß eine starke Initiative zu haben. Seine Figuren stehen aktiv und er hat Entwicklungsvorsprung, während der schwarze König im Zentrum sitzt und die Rochade ihm verwehrt wird. Natürlich ist die Lage ganz und gar nicht klar. Schwarz steht sehr flexibel und solide, ein scharfer Kampf zeichnet sich ab. 12...b5 13.Lc5?? Ein schrecklicher Fehler, zunächst befürchtete ich 13.Se2 doch kann sich Schwarz mit 12...Lb7! behaupten, da nun 13.f4 an 13...Lxe4 mit Doppelangriff auf c2 und h1 scheitern würde.  Der fehlerhafte Zug 13. Lc5?? wird im Folgenden auf typische Weise taktisch widerlegt. 13...a5 14. Dxb5 Tb8 15.Dc4 La6! vielleicht war es dieser Zug, der dem Anziehenden entging.


16.Dxa6 Dxc5 Für nur einen Bauern hat Schwarz nicht nur in der Entwicklung aufgeholt, sondern auch eine brandgefährliche Initiative erlangt. Das Bild hat sich komplett gewandelt, plötzlich stehen die weißen Figuren alle schlecht, während Schwarz über große Aktivität verfügt. Majestätisch thront der Läufer auf e5. 17.Sb5 0-0 18. Dxa5  Weiß nimmt den Bauern angesichts der sich nun öffnenden a-Linie sicherlich nicht aus Fressgier, sondern um seine Dame zu retten, es drohte bereits 18...Ta8-+.
18...d5!? Es fällt schwer diesen Zug zu kommentieren, natürlich hätte ich den a-Bauern gewinnen können, doch sah ich nicht, wie es konkret weitergehen soll und entschloss mich daher den Druck erst zu verstärken. Stärker war allerdings das triviale 18...Tfc8!, ich übersah, dass 19.c3 wegen 19...Ta8 die Dame verliert.



19.g5 De3+ Die Pointe besteht in 20.Dd2 Dxf3, was Lf4 droht. Stattdessen folgte 20.Kb1 Dxf3 21.Le2?? ein Blackout, aber am enormen schwarzen Vorteil war ohnehin nicht zu rütteln. 21...Dxe2 22.gxf6 Txb5 0-1

Eine kurze Partie, die trotzdem nicht einfach war und spannende Momente beinhaltete. Mit 7/9 lief ich am Ende als 3. über die Ziellinie. Mit dem Spiel war ich im Allgemeinen recht zufrieden, lediglich das Schwarzspiel, bzw. die vielen Remise gegen nominell teilweise deutlich schwächere, störten mich.


Gestern ging das Wochenendturnier in Eschborn zu Ende, es war zwar etwas stärker besetzt als das Godesburg Open, aber wirklich viele starke Spieler fanden nicht den Weg in die kleine Stadt nahe Frankfurt. Der Turniersaal war geräumig und die Spielbedingungen gut, lediglich die Organisation war verbesserungswürdig. Nach 5 Runden siegte mit 5/5 der an 1 gesetzte, sympathische GM Kunin, der am letzten Tag beide seiner GM-Kollegen schlug, zuerst GM Schmittdiel mit Schwarz und dann noch GM Ninov mit Weiß in einer Angriffspartie. Eine Leistung die Respekt verdient!
Ich spielte gegen 4 nominell schwächere Gegner und gegen GM Ninov. Als ich nach 3 Runden bereits zweimal Schwarz hatte, trat ich wohlgemut die Heimreise an, der Annahme sicher, in Runde 4 mit Weiß gegen einen Titelträger zu spielen. Bei meinem Glück lief es natürlich anders und ich bekam erneut Schwarz, und das gegen einen GM. Ich bereitete mich ein wenig auf GM Ninovs Interpretation diverser Eröffnungen vor und entschied mich für ein zuverlässiges System, glich problemlos aus und ließ nichts anbrennen. Remis kurz nach der Zeitkontrolle. Nach all den Unbilden, die ich in Begegnungen gegen GMs bisher über mich ergehen lassen musste, endlich mal ein Lichtblick. In Runde 5 wurde ich gegen einen Spieler gelost, der schwer einzuschätzen war. Elolos und keine DWZ mehr habend, startete er lediglich mit einem schweizer Rating. Jedoch hatte er 2200er auf dem Kieker, schlug er in Runde 4 einen solchen, während er in Runde 3 mit Schwarz Remis gegen einen gestandenen FM schaffte. Gegen mich war er friedlich gestimmt, versuchte die Stellung so gut es geht zu schließen, was ihm trotz seiner altindischen Eröffnug nicht gelang. Das frühe Remisgebot im 13. Zug habe ich selbstverständlich überhört. Am Ende wurde ich aber dann doch nur 4. und das trotz guter Punkteausbeute von 4,5/5. Das Podium erklommen GM Kunin (1.), IM Lobzhanidze (2.) und FM Uwira (3.). Trotz der guten Ergebnisse war ich in diesem Turnier nicht zufrieden mit meinem Spiel. Viele Ungenauigkeiten und schlechte Entscheidungen in wichtigen Momenten schaffen keinen Grund zu übermäßiger Freude, im Gegensatz zu dem Ratingplus =)

Präsentieren möchte ich eine interessante Partie aus Runde 3, die trotz, oder gerade wegen, der vielen Fehler, spannend war.

Peschel.- Winterberg

1.d4 g6 2.c4 Lg7 3.Sc3 c5 4.d5 Lxc3+!? 5.bxc3 f5 Bereits nach fünf Zügen zeichnet sich ein zweischneidiger Kampf ab. Natürlich ist es nicht jedermanns Ding den schönen Fianchettoläufer sofort gegen einen Springer zu tauschen.  6.Da4 und schon war ich "out of book". Viele Züge habe ich in dieser Stellung schon gesehen, nicht aber diesen, den mein Gegner ad hoc spielte. 6...Db6 7.g4 Dieser Zug ist im 6. Zug möglich und stellt eine extrem gewalttätige Alternative zur Hauptvariante 6.e4 dar. 7...fxg4 8.h3 g3 Natürlich verspüre ich kein sonderliches Interesse an Linienöffnung und gebe den Bauern lieber gleich wieder zurück. Inwiefern der Einschub der Züge Da4 und Db6 die Stellungsbewertung verändert, bzw. zu wessen Vorteil besagter Einschub ist, mag ich nicht zu beurteilen. Mir erscheint es, als wäre Db6 natürlicher als das gekünstelte Da4. 9...Da6 geleitet von der Annahme, dass die strukturellen Schwächen des Weißen im damenlosen Mittelspiel stärker ins Gewicht fallen. Klar ist in dieser Stellung aber überhaupt nichts. 10. Dxa6 ich erwartete Db3. 10...Sxa6 11.e4 e5!? zwingt Weiß sich zu offenbaren. 12.Lg5 h6 13.Le3 Sf6 14.Lg2 d6 15.Se2 g5 16.Kd2! richtig gespielt, der König gehört nach d3. 16...Ke7 17.h4?! ein schwacher Zug, nach dem die weißen Figuren jedeweder Aktivität beraubt werden, ich rechnete mit 17.g4 und der Idee Sg3-Sf5.
17...g4 18.Thb1 Tb8 19. a4 Sc7 20.Tb2 b6 21. Kd3 Ld7 22.Sc1 Le8 23.a5 entschließt sich aktiv zu spielen, wenn Weiß stillhält bin ich mir nicht sicher, ob Schwarz Fortschritte machen kann, selbst wenn er irgendwie b5 erreicht. 23...b5 24.cxb5 in dieser Stellung investierte ich den Großteil meines sehr soliden Zeitvorsprungs und setzte mit 24...c4+? taktisch inkorrekt fort.


Falls nun Ke2 folgt, hängt in der Folge c3, Kxc4 ist natürlich wegen Lxb5+ völlig indiskutabel. Doch auch die Partiefortsetzung 25.Kc2? gibt Schwarz recht, indes hätte Schwarz nach 25.Kd2 Txb5 26.Txb5 Sxb5 27.Ta4! Probleme gehabt, da 27...Sxc3 28.Txc4 Sb5 29.Lxa7 für Weiß vorteilhaft ist.
Kehren wir zurück zur Partie: 25...Lg6! das war die Idee. 26.Lxa7 Txb5 27.Txb5 Sxb5 28.Lb6 Sxe4 29. Lxe4 Lxe4+ 30. Kd2 Lxd5 31.Tb1 Lc6 32.Sa2 Kd7 33.Tf1 Lf3 34.Tb1 Sc7 35.Tb4 Ld5! es galt zu erkennen, dass 35...d5? praktisch jeglicher Gewinnchance beraubt. 36.Ta4 Tf8 37.Sb4 La8 38.Sc2 d5 39.Se1 h5 40.Ke2? Ein Fehler in schwieriger Stellung. 40...Sb5 41.Kd2 Sd6 42.Tb4 Se4+ 43.Kc2 Sxg3 45.Le3 Sf5 46.Lg5 d4 47.Tb6 g3 48.Tf6 g2 und Weiß blies die Schamade, da er zu viel Material verliert. 0-1
Ich dachte, eine gute Partie gespielt zu haben, leider hat der Silikonkopf 24...c4+ widerlegt, was den Wert der Partie signifikant senkt.

Lassen wir uns abschließend auf die Überschrift eingehen. Bisher ging es vorwiegend um Sommer-Hochs, beschließen möchte ich den Beitrag mit einer kalten Dusche:

Winterberg- GM Starostits
1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.e3 Le6!? 4.Sf3 c6 5.Sg5??? Da5+ und 0-1 nach ein paar weiteren überflüssigen Zügen.

Allen Lesern wünsche ich einen schönen Herbstanfang.

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